Alles hat ein Ende, nur die GroKO nicht. Hat man zumindest irgendwie das Gefühl. Zum Beispiel, wenn man sich das Trauerspiel um das Bürgergeld anschaut. Da kündigt die farbenfrohe Koalition die Abkehr von Hartz IV zum ersten Januar des kommenden Jahres an, nur um im gleichen Atemzug vor den Gefahren für den Sozialstaat zu warnen, wenn das Bürgergeld zu spät käme. Was für eine Steilvorlage für die Opposition. Also zumindest für die Opposition, die es ernst meint mit dem föderalen Staat. Der föderale Staat ist dieses – manchmal nervtötende – staatliche Konstrukt, das den Deutschen eine funktionierende Demokratie garantiert. Der Staat als ein Organisationsprinzip, bei dem die einzelnen Glieder über eine begrenzte Eigenständigkeit verfügen, aber zu einer übergreifenden Gesamtheit zusammengeschlossen sind, so steht es geschrieben.
Verständlich heißt das, Bund und Länder haben jede Menge Kompetenzen und Befugnisse und müssen sich irgendwie einigen. Damit sind solche autokratischen Typen wie sie momentan in Staaten wie Ungarn und der Türkei gehäuft zu finden sind, bei uns relativ unwahrscheinlich. Vor allem, wenn die Länder farblich anders geleitet werden als der Bund. Also nutzte die Opposition das mal gleich aus und drohte mit Liebesentzug zur Reform. Man hätte ja über den Bundesrat, also die Ländervertretung, die Möglichkeit, solche, das Lodderleben fördernde, Gesetze zu behindern. Derlei Verhalten führt zu freudiger Erregung bei den einen, zu grummeligem Genöle bei den anderen.
Nur, was tun? Im Anblick der heranrasenden Weihnachtszeit, der Erwartung eines kalten energiearmen Winters und dem ewig lauernden Virus mit dem niedlichen Namen eines mexikanischen Bieres galt es, eine Lösung zu finden. Denn wenn ein Gesetz im Bundesrat scheitert, droht das Ungeheuer namens Vermittlungsausschuss. Der ist urdemokratisch und somit unverzichtbar, sogar unkritisierbar, und gehört über alle Maßen gelobt. Es garantiert letztendlich unser aller Wohlstand in Freiheit, mithin die Demokratie. So ein Vermittlungsausschuss bringt nur eine kleine Ungemütlichkeit mit. Der Vermittlungsausschuss ist manchmal ähnlich schnell wie die Realisierung eines deutschen Großprojektes à la Berliner Flughafen oder Stuttgart21. Um auf das Bürgergeld zurückzukommen, auch dies ist ein Großprojekt. Und es sollte zügig realisiert werden. Wenigstens in den Augen all derer, die unter Hartz IV zum gesellschaftlichen Ausschuss wurden. Die eben nicht zwingend unumschränkt am Wohlstand in Freiheit partizipieren konnten. „Konnten“ deshalb, weil man sich im fernen Berlin an alte Zeiten erinnerte. Unausgesprochen versteht sich, aber man erinnerte sich. Zum Beispiel an starke Mehrheiten und kürzere Sitzungen. Warum also nicht „Zurück in die Zukunft“.
Denn die Deutschen hatten ja zuletzt eine gefühlt Dekaden andauernde Regierung aus SPD und CDU, bei der man am Ende allerdings zusammenarbeiten musste, jedoch nicht mehr wollte. Übrigens, was für ein Unterschied zur jetzigen Regierung. Da hatte man von Anfang an das Gefühl, man wolle nicht zusammenarbeiten. Die alte GroKo mit farblicher Erweiterung erschien als heilsbringende Vision zur Lösung und als Testballon für zukünftige Aufgaben. Man muss solcherlei ja nicht öffentlich so benennen, nur das Ergebnis sollte stimmen. Das stimmt jetzt – in den Augen von Bund und Ländern – und so darf ab 1. Januar 2023 großzügig unterstützt und ebenso großzügig gekürzt werden.