Darf man vom Morden in der Ukraine ablenken? Eigentlich nicht, und so ganz kommt man auch nicht daran vorbei. Als gutes Beispiel dient da die sogenannte 100-Tage-Regierungsbilanz, die dieser Tage fällig war. Normalerweise ein Fest für die Regierung wie auch die Opposition. Da kann sich jeder mal so richtig austoben. Was die 100-Tage-Regierung so geleistet hat, steht erfahrungsgemäß das oppositionelle „Nix-geleistet“ gegenüber. Diesmal ist alles anders. Selbstkritische „wir-haben-zu-wenig-getan“-Aussagen kommen gemeinsam mit dem von demokratischer Opposition geseufztem „wir-auch“ einem Lamento gleich. Natürlich nur auf den National-Mord in der Ukraine gemünzt. Aber genug von Mord, Totschlag und einig Vaterland.

Gänzlich uneinig ist man sich in Berlin – und dem Rest des Landes – in Sachen Corona. Beziehungsweise, wie damit umgehen. Es geht nicht um die Impfpflicht, es geht auch nicht um Urlaubsreisen und ähnliche Narreteien. Es geht schlicht um die Maske. Und so herrscht großes Erstaunen aller Orten. Denn es heißt nicht Regierung versus Opposition, sondern Bundesland gegen Bundesland und Koalitionspartner gegen Koalitionspartner. Beim Bundesland hängt die Maskenfrage gerade davon ab, ob dort demnächst Wahlen anstehen. Bei den Koalitionspartnern, so macht es den Eindruck, wie interpretierfähig die vor 100 Tagen gemachten Koalitionsaussagen denn so verstanden werden kann. Großes Verständnis für die eigenen Positionen zeigt hier der kleinste Partner, während der größte der drei vornehm schweigt.

Maske an oder ab hängt vom Wählerpotenzial ab. Je bevölkerungsreicher das zu bewählende Land ist, desto weniger Maskenfreunde finden sich unter den Lautsprechern am Wahlstand. Gerade NRW macht hier den unrühmlichen Vorreiter. Als ob Karneval nur ein Ausrutscher war.

Besonders verhängnisvoll ist der reine Glaube an die Vernunft der Bevölkerung. Zugegeben, die große Mehrheit geht äußerst vernünftig und vorsichtig zu Werke. Aber 25 Prozent gewollt Ungeimpfte zeigen auch, dass ein Viertel der Bevölkerung es immer noch nicht begriffen hat. Nachdem das Argument, „ich warte noch auf ein MRNA-freies Vakzin“ sich als bloße Luftnummer erwiesen hat und eine neue Mutante noch bösartiger ist, ist Verständnis für solcherlei Verhalten bedenklich. Gerade im Wahlkampf. Ein Viertel aller Wähler zu vergrätzen, das mag jedoch nicht jeder Kandidat. Aber ganz ehrlich, solcherlei Überlegungen lenken vom Ukraine-Krieg ab. Und das ist ja auch schon was.