Wann waren Sie das letzte Mal so etwas wie stolz auf unsere Regierung? Nein, mehr noch, auf die demokratischen Kräfte in unserem Landes- und Bundesparlament? Bislang haben wir ja mehr so getan, als ob wir dieses verstaubte, politikgeschacherte, scheinbar elitäre Gewurschtel dulden, um uns frohgemut dem Motzen und Stänkern widmen zu können.
Ist uns genommen, dieses seelisch manches mal so befreiende Grummeln. Jetzt schauen wir morgens in den Spiegel – also dem an der Wand – und erahnen so etwas wie eine Aura aus gestärktem Rückgrat. Dafür müsste man eigentlich Zar P. danken, wenn man einem Kriegsverbrecher nur eben nicht danken sollte. Tun wir auch nicht, schon klar. Aber es fühlt sich schon gut an, dieses neue zu schwere Lasten tragende bereit seiende Knochengebilde.
Und ja, da warten so einige Lasten auf uns. Und zwar solche, die uns gerade vor kurzem noch untragbar erschienen. Denn, uns geht es ziemlich sicher ans Geld. Wahrscheinlich sogar unseren Wohlstand. Das tut weh. Bislang konnten wir nur ohnmächtig den Klimawandel für steigende Spritpreise verantwortlich machen. Dafür bot der Klimawandel aber auch die Chance auf Kompensation durch industrielle und wirtschaftliche Entwicklungen in Sachen regenerative Energien. Und die Sache mit dem Plastikmüll wollten wir ja auch in den Griff kriegen. Haben uns die versprochen, die wir bis vor einer Woche noch belächelten. Bestenfalls beschimpften konnten.
Jetzt aber werden wir zum Waffenexporteur, weil wir nicht zusehen wollen, wie Massenmord zum Alltag wird. Jetzt wollen wir eine Bundeswehr hochrüsten, weil man mit dem Werfen von Wattebäuschen keinen Putin beeindruckt. Und jetzt rücken wir, vor allem europäisch gesehen, enger zusammen. Und der Klimawandel? Muss warten. Jetzt geht es ums nackte Überleben.
Gott sei Dank finden wir Lichtgestalten. Da wandelt sich eine Außenministerin zu einer diplomatischen Größe, der wir staunend applaudieren. Da zeigt sich ein Wirtschaftsminister der Klartext redet. Was uns zwar inhaltlich nicht frohstimmt, aber der uns eben auch nichts vormacht und so zur Vertrauensperson mutiert. Da wird aus einem schweigenden Kanzler einer, dem man zustimmend zuhört. Und aus einer Opposition mit „C“ im Parteinamen kommt eine die Freiheit und Demokratie beschwörende Unterstützung. Dazu verfügen wir noch über einen Bundespräsidenten, der seinen Wert wahrlich nicht mehr beweisen muss. Hat er nämlich schon oft genug getan.
Wir sollten das Leid in der Ukraine nicht vergessen, dürfen aber tatsächlich ein wenig stolz sein.
Dank Rückgrat.