Zeitenwende, Inflation und der Glaube an das Gute
Ein Jahr liegt zurück, für das es nur einen Begriff geben kann. Krisenjahr. Schön, dass hier schon der Plural im Begriff steckt, denn man darf zu Recht sagen: „Mit einer Krise im Jahr gehen wir noch lange nicht nach Hause.“ Als wir da gehabt haben: Corona-, Ukraine-, Inflations-, Öl- und Gas- und somit Energie-, Klima-, Fachkräftemangel-, Flüchtlings- sowie jede Menge Unter-Krisen. Ehrlich, nie war der Ausruf „Ich krieg die Krise“ zutreffender als 2022. Deshalb gibt es den persönlichen Jahresrückblick in zwei Teilen. Nachfolgend Teil 1.
Am Anfang war der Virus: Zu Beginn 2022 war das Krisenjahr nur ein weiteres Seuchenjahr. Corona gab noch einmal alles. Als hätte die Welt nicht schon in den letzten zwei Jahren ausreichend Bekanntschaft mit den Umständen dieses Virus‘ gemacht, zauberte Covid eine neue Variante nach der anderen hervor. Zuletzt war man die Neunamen leid und sprach nur noch von dem verdam…. Virus. Und nicht nur der Virus („der“ Virus, weil „das“ Virus sonst zu unpersönlich ist), also, nicht nur der Virus in seiner Artenvielfalt machte uns das Leben schwer, sondern auch die unterschiedliche Heran- und Umgangsweise mit Corona.
Zum Beispiel beim Thema Impfen. Impfpflicht ja oder nein? Erst beschlossen, dann abgeschossen. Nachdem 2022 tatsächlich ausreichend Impfstoff vorrätig war, gab es dann doch noch einige Kandidaten – und das nicht zu knapp – die partout nicht gepickst werden wollten. Auf der anderen Seite gab es Spritzenhungrige, die auch nach der einundzwanzigsten Immunisierungsspritze immer noch eine weitere wollten. Sich in einer Pandemie außerhalb des gesellschaftlichen Konsenses auf das Selbstbestimmungsrecht zu berufen, wirkte mitunter verstörend. Dass letztendlich, nämlich zum Jahresende, die Gesellschaft auf die sogenannte Herdenimmunität hoffen durfte, war nicht immer klar. Und in der durchaus aufgeheizten Stimmung ist es rückblickend ein Wunder, dass nicht mehr Kriminelle durchdrehten. Das nämlich geschah so in Trier durch einen Amokfahrer oder in Idar-Oberstein, als ein völlig durchgeknallter Typ einen Tankwart wegen des Maskenzwangs erschoss. Eine Aufzählung ohne Vollständigkeitsmerkmal.
Lass die Maske fallen: Überhaupt Maskenzwang. Was eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte, nämlich die Rücksichtnahme auf andere, bedurfte der staatlichen Regelung. Man musste Maske tragen, ob man wollte oder nicht. Im Laufe des Jahres lockerte sich dann das „Muss“ und galt nur noch örtlich begründet. Wobei örtlich nicht mit regional verwechselt werden sollte. Dass bei der Auswahl der „Örtlichkeiten“ der Gesetzgeber nicht immer eine sachlich-fachlich begründete Verordnung erließ, ist heute ebenso sicher wie immer noch nicht nachvollziehbar. Zum Ende hin toppte der Gesetzgeber seinen Realitätsverlust, als er zwar in Bussen und Bahnen den Maskenzwang aufrecht hielt, in Flugzeugen aber auf Eigenverantwortlichkeit setzte. Ganz so, als ob ein höherer Ticketpreis vor Corona schützen würde.
Überhaupt hat sich der Staat mit seinen Verantwortlichen und seinen Behörden nicht immer mit Ruhm bekleckert. Nicht nur die Corona-Plage betreffend. Unfair allerdings war, dies alles dem TV-Show-Dauergast Karl Lauterbach anzuhängen. Der nämlich durfte unpopuläre Entscheidungen durchweg unter dem „Friendly fire“ von Regierungs- und Parteikollegen verkünden. Kommentiert von einer kritischen, öffentlichen Minderheit, die alternativlos alles besser wusste.
Nicht nur die Seuche suchte uns heim: Das aus dem Seuchenjahr ratz-fatz ein Krisenjahr wurde, darf man getrost einem russischen Gernegroß zuschreiben. Herr P. aus Moskau hatte den wenig glorreichen Einfall, nach der Annexion der Krim 2014 sich 2022 auch den Rest der Ukraine einzuverleiben. Trotz aller diplomatischen Beziehungen fiel der Zar von eigenen Gnaden am 24. Februar über seinen Nachbarn Ukraine her.
Im Schlepptau der Krise „Europäischer Krieg“ hing noch direkt eine Energiekrise. Russisches Gas und russisches Öl versorgte bis dato den Westen. Weil man aber mit Kriminellen keine Geschäfte machen sollte, rächten sich nun die Fehler der vergangenen dreißig Jahre. Egal, welche Regierung im Amt war, alle setzten auf wirtschaftliche Vorteile, und nicht auf demokratische Gepflogenheiten. Ein Fehler, den nun einige zugaben. Aber nicht alle. Darunter zwei deutsche Ex-Staatenlenker. Neben Gerhard Schröder, der mit Nibelungentreue an seiner Freundschaft zum Despoten Putin festhielt und -hält, konnte auch Langzeit-Kanzlerin Merkel keine Fehler in ihrer Russlandpolitik ausmachen. Sei es drum, nicht jeder versteht die Idee des lebenslangen Lernens…
Ohne Anspruch auf Vollständigkeit, gibt es nächste Woche Teil 2.