Von OTT zu CUX war ein langer, aber erfolgreicher Weg. Cuxhavens Oberbürgermeister Uwe Santjer (l.) und der Lüdingworther Ortsbürgermeister Thomas Brunken ließen die Geschichte der Eingemeindungen Revue passieren Foto: hgi
CUXHAVEN hgi ∙ Mit Musik der „Fishermen“ unter der Leitung von Udo Brozio wurden die geladenen Gäste, darunter Ortsbürgermeister, jetzige und ehemalige Ortsratsmitglieder, neben wichtigen Spitzen aus Politik und Verwaltung begrüßt. Unter anderem Erste Stadträtin Andrea Pospich, Stadträtin Petra Wüst, Mdb Enak Ferlemann sowie MdL Thiemo Röhler. „Mit Musik, das ist ja auch nicht verkehrt“, freute sich Oberbürgermeister Uwe Santjer. „Vor fünfzig Jahren hätte sich keiner vorstellen können, dass wir die Eingemeindung fröhlich feiern“, sagte er. Er wolle den sachlichen Inhalt der Feierstunde vortragen und den launigen Teil übernehme, stellvertretend für alle Ortsteile, Thomas Brunken, Ortsbürgermeister von Lüdingworth.
Größere Finanzkraft, mehr Ressourcen und mehr Know-how
Der Vorteil von größeren Gemeinwesen besteht ganz allgemein darin, dass sie für ihre Bürger mehr „auf die Beine stellen“ können als kleinere. Sie verfügen über eine größere Finanzkraft, mehr Ressourcen und über mehr Know-how. Genau deshalb gab es in den 1960/70 Jahren in Deutschland umfangreiche Gebiets- und Verwaltungsformen. Überall wurden Gemeinden und Landkreise zu größeren und damit leistungsfähigeren Verwaltungseinheiten zusammengeschlossen. Im Gebiet Cuxhaven-Hadeln-Stade wurden in diesen Jahren 145 Städte und Gemeinden zu 18 neuen Verwaltungseinheiten zusammengefasst.
Die selbstständigen Gemeinden sahen darin Nachteile, wie das Einbüßen ihres Selbstbestimmungsrechtes. Bisher hatten sie ihre Angelegenheiten selbst entschieden. Nun hatten die Vertreter des eingemeindeten Ortsteils im Stadtrat der gesamten Stadt wenig zu sagen. Das kleinere Gemeinwesen war den Bürgern näher und sie befürchteten Konkurrenzkämpfe zwischen Stadtteilen, was Auswirkungen auf die gesamte Stadt zur Folge haben könnte. Deshalb waren viele selbstständige Ortsteile zunächst gegen die Eingemeindung. In der langfristigen Entwicklung wurden aber die Vorteile in Cuxhaven besser deutlich.
Am 1. Juli 1970 wurden Sahlenburg und Holte-Spangen nach Cuxhaven eingegliedert. Am 1. Februar folgte die Gemeinde Berensch-Arensch. Die Gemeindereform kam am 1. Juli 1972 zum Abschluss: Altenwalde, Altenbruch und Lüdingworth wurden in die Stadt Cuxhaven eingemeindet. Trotz eines hohen Schuldenberges von Sahlenburg sprach sich die Stadt Cuxhaven für eine Eingliederung aus. Es gab von den Bürgern allerdings Protestbriefe, wie die Cuxhavener Presse am 5. März 1966 berichtete: „Lassen Sie die Finger davon! Wir wollen freie Sahlenburger Bürger bleiben. Um unsere 6,4 Millionen Schulden machen Sie sich nur keine Kopfschmerzen!“ Nach etlichen finanziellen Zugeständnissen waren Sahlenburg und Holte-Spangen bereit zur Eingemeindung. Was man heute vielleicht als Kleinigkeit empfinden würde, wurde für Holte-Spangen, Sahlenburg und später für Berensch-Arensch festgelegt: Die im Gebiet der Gemeinde zugelassenen Kraftfahrzeuge konnten ihre bisherigen Kennzeichen behalten.
Auch wenn Holte-Spangen und Sahlenburg gelegentlich als Sorgenkinder tituliert wurden, werde man sie nicht in ein Waisenhaus stecken, so der damalige Oberbürgermeister Wegener.
Für die Eingemeindung nach Cuxhaven votierte der Gemeinderat von Berensch-Arensch einstimmig – nicht ohne Gegenleistung, zum Beispiel Straßenbauprojekte ohne Belastung der Anlieger. Am 31. Januar 1971 wurde die Eingliederung im Heidekrug gefeiert. Der bisherige Bürgermeister Osterndorff musste die Feier eilig verlassen, um ein, bei ihm zu Hause, geborenes Kalb zu versorgen. Dieses taufte Oberstadtdirektor Dr. Eilers auf den Namen „Cuxhaven“.
So wurde auch in den Gemeinden Altenwalde, Altenbruch kräftig diskutiert und verhandelt. In Lüdingworth bildete sich eine Bürgerinitiative, Protestveranstaltungen und zerstochene Reifen ließen die Bildzeitung 1972 von einem „Bürgerkrieg in Lüdingworth“ berichten. Die Eingemeindungen waren nicht nur die Angelegenheit der bisher selbstständigen Gemeinden und der Stadt Cuxhaven. Auch der Landkreis Land Hadeln war betroffen, weil es sich allesamt um Gemeinden aus seinem Kreisgebiet handelte. Die Entscheidungshoheit lag beim Niedersächsischen Landtag in Hannover. 1972 erfolgte durch das sogenannte „Cuxhaven-Gesetz“ die Eingemeindung von Altenwalde, Altenbruch und Lüdingworth. Ein, von Gegnern, eingeleitetes Verfahren beim Staatsgerichtshof Bückeburg brachte das Ergebnis, dass die Eingemeindungen nicht gegen die Niedersächsische Verfassung verstoßen haben.
„Wasser, Strand, Schiffe, das war für uns Cuxhaven“, erinnerte Lüdingworths Ortsbürgermeister Thomas Brunken an die Meinung im Altkreis Land Hadeln. Die Sorge, von der wirtschaftlich schlecht gestellten Stadt Cuxhaven zur Kasse gebeten zu werden, überwog bei den Gegnern. Es bedeutete einen gewaltigen Einschnitt, Existenz und Mitspracherecht reduziert zu wissen. „Zur Stadt Cuxhaven zu gehören, ist wie in eine Pfütze Wasser zu treten“, war eine Meinung. „Man wollte nicht die jahrhundertelangen Beschlüsse verschwinden lassen und verhindern, dass Cuxhaven die letzten Gemeindemittel bekommt. Letztendlich Altes ist geblieben, Neues dazu gekommen. Inzwischen haben wir in Cuxhaven strandfreien Eintritt“, so Thomas Brunken.
„An die Gebietsreform vor 50 Jahren mit dieser Feierstunde zu erinnern, sei eine schöne Geste, denn wir sind alle Cuxhavener“, so Oberbürgermeister Uwe Santjer.
„Hoch im Norden weht ein rauer Wind“, sangen die „Fishermen“ zum Abschied. Dieser war bei den lockeren Gesprächen der Gäste im Gotischen Saal des Schlosses Ritzebüttel nicht zu spüren. Bei über 30 Grad an diesem Julitag hätte sich aber manch einer sicher ein Lüftchen im Freien gewünscht.