CUXHAVEN tw ∙ Lange lag er vergessen auf dem Dachboden des Hamburger Museums für Kunst und Gewerbe – ein vergoldeter Mumienkopf. Vor über 30 Jahren vom Privatforsche Rainer Leive mit der damaligen stellvertretenden Museumsleiterin auf der Suche nach Überresten des Lastenseglers „Gottfried“ entdeckt, überließ Leive dem Museum „Windstärke 10“ kürzlich eine originalgetreue Replik des Originals (Foto: tw), die extra für eine „Terra X“-Sendung angefertigt wurde. Nur ein Teil einer geheimnisvollen und faszinierenden Ladung an Bord des 1822 gesunkenen Schiffes.
Im Juli 1821 verließ die „Gottfried“ den Hafen von Triest. An Bord 97 Kisten mit ägyptischen Altertümern und „der zur damaligen Zeit größte Sarkophag, aus rosa Granit, verziert mit Reliefs und Hieroglyphen“, so Leive, der zusammen mit der ehemaligen Museumsleiterin Dr. Jenny Sarrazin am Freitag bei einem Pressegespräch im „Windstärke 10“ über den neuesten Stand der Forschung berichtete.
Es war eine Ladung, die den Grundstock für das Ägyptische Museum in Berlin bilden sollte, die ihr Ziel aber nie erreichte. In der Nacht vom 11. auf den 12. März 1822 tobte einer der verheerendsten Stürme des 19. Jahrhunderts über die Nordsee und forderte als Opfer auch den 20 Meter langen Lastensegler. Nur ein Matrose überlebte das Unglück. Das Schiff und seine Fracht gelten seitdem als verschollen.
Stelen könnten Lücken in der Geschichts-Chronologie füllen
Die Suche danach ist für Rainer Leive zu einer Lebensaufgabe geworden. „Es liegt in der Elbe und wartet darauf hervorgeholt zu werden“, sagt er, und betonte, dass er nicht nach einem Schiff, sondern nach einer verlorenen Ladung suche. Denn die Überreste des „Gottfried“ seien inzwischen wahrscheinlich verrottet. Der große Steinsarkophag könnte am besten geortet werden. „Und wir geben die Hoffnung nicht auf, dass vielleicht eine Stele in einem Fischernetz auftaucht“, so Dr. Jenny Sarrazin. Stelen, die nach Leives Überzeugung „einige Lücken in der Geschichts-Chronologie beseitigen können“.
Zusammen mit dem Ägyptologen und ehemaligen stellvertretenden Direktor des Ägyptischen Museums in Berlin, Dr. Joachim Karig, hat Leive über Jahrzehnte akribisch und detailreich die Geschichte der „Gottfried“ rekonstruiert. Dazu gehörte auch das genaue Studium der hydrografischen und meteorologischen Bedingungen zum Zeitpunkt des Untergangs der „Gottfried“, mit dem sie den Untergangsort eingrenzen konnten. Aufgrund ihrer Untersuchungen fand 2010/2011 unter Leitung des Schiffsarchäologen Dr. Martin Segschneider eine Forschungsfahr in der Elbmündung statt, bei der mit modernstem technischem Gerät nach den Resten der Ladung der „Gottfried“ gesucht wurde. Leider ohne Erfolg.
Anhaltspunkte zum Untergangsort lieferten auch Kisten mit leichteren Fundstücken die Wochen und Monate nach dem Untergang zwischen Altenbruch und Balje angespült wurden. Zusammengetragen wurden die ägyptischen Altertümer vom preußischen General Johann Heinrich Karl Menu von Minutoli, entsandt von König Friedrich Wilhelm III. von Preußen, mit dem Auftrag möglichst viele Schätze mitzubringen. Weswegen er vieles en gros kaufte, erzählte Leive. Und Minutoli selbst deshalb nicht bei jeder Kiste so genau wusste, was sie enthielt. Er war aber auch der Erste, dem es gelang den Eingang zur Stufenpyramide von Sakkara zu finden. Hier barg er, neben dem tonnenschweren Steinsarkophag unter anderem auch den vergoldete Kopf der Mumie, zwei vergoldete Fußsohlen sowie einen kleinen Geierkopf. Dass sich diese Funde auf der „Gottfried“ befanden, ist aus verschiedenen Quellen, wie etwa den Erinnerungen von Minutoli bekannt.
So weiß man auch, dass 20 weitere Kisten über den Landweg ihr Ziel in Berlin erreichten. Von den angeschwemmten Fundstücken ist bekannt, dass sie versteigert wurden, wo sie gelandet sind ist nicht mehr auszumachen. Bis auf zwei weitere Fundstücke aus dem Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe, (MGK) eine Mumienbinde sowie eine Mumienlocke in einem Kuvert. mit der Aufschrift: „bey Neuhaus an Land getrieben aus dem dort gestrandeten Schiffe – in Freyburg mitgenommen d. 5t. April 1822.“
So einfach ist die Zuordnung des ebenfalls im MGK gefundenen vergoldeten Mumienschädels nicht, wurde er dort doch als eher aus römischer Zeit stammend eingeordnet. Inzwischen wurde der Schädel jedoch vom Hamburger Rechtsmediziner Prof. Klaus Püschel auf sein Alter untersucht, mit dem Ergebnis, dass er rund 2.800 Jahre alt ist und somit zeitlich in die Stufenpyramide passen würde.
„Das ist eine absolute Sensation und Wissenschaftsgeschichte im besten Sinne.“, dankte Dr. Sarrazin Rainer Leive für seine detailreiche Forschungsarbeit. „Es gebührt unser aller Hochachtung, dass sie über so viele Jahre am Ball geblieben sind und es geschafft haben, den Schädel in diesen Zusammenhang einzubetten.“ Ein Dank, den Leive nicht für sich allein beanspruchen wollte und auf die vielen Forschenden verwies, die ebenso zum Wissensstand beigetragen haben.
Ihm ist es wichtig, dass das Wissen und was noch an Ladung gefunden wird, in der Region bleibt. „Hier gehört es als kulturhistorisches Erbe hin“, sagte er und würde es gerne sehen, wenn es hier museal bearbeitet wird.