Hinterm Horizont geht’s weiter – Eine „Seifenkiste“ für die Lüfte Foto: jt
NORDHOLZ jt ∙ Eines der Lieblings-Ausstellungsstücke von Museumsleiterin Dr. Anja Dörfer ist das um 1946 selbstgebaute Karussell. In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg war Spielzeug Mangelware. Da machte Not erfinderisch. Einfallsreich fertigte deshalb jemand ein Miniatur-Karussell mit handgenähten Puppen aus dem, was man so finden konnte. Gleich rauf springen und festhalten, los geht’s!
Schon einfaches Herumwirbeln oder In-die-Luft-werfen durch die Eltern begeistert die Kleinen. So zeigt eine Reliefplatte um 1345 v. Chr. Pharao Echnaton beim „Fliegerspielen“ mit seiner Tochter. Um 600 brachte ein lebender Vogel am Faden Glanz in Kinderaugen und weckte den Traum vom Fliegen. Flugspielzeuge, wie der Blechvogel von 1895, der sich an einem gespannten Seil durch Flügelschlag bewegte, vermochten die Begeisterung noch zu steigern. Dagegen sehen aktuelle Video- und Computerspiele fast alt aus.
„Alles fliegt! Kinderspielzeug im Wandel der Zeit“ ist eine Sonderausstellung im Aeronauticum benannt, die einen sprichwörtlich durch Raum und Zeit katapultiert und Geschichte für Groß und Klein lebendig werden lässt. So brachten Brettspiele wie „Mit ‚Hindenburg‘ und ‚Zeppelin‘ nach Amerika“, die Zeppelin-Euphorie in den 1920 und 30er Jahren in die deutschen Wohnstuben, was auch der Kinderreim bildhaft beschreibt: „Ein Mann von 70 Jahren kommt durch die Luft gefahren mit einer alten Dreschmaschin‘ – das war Graf Zeppelin“. Mit einem Stahlbaukasten wurden Kinder zum „Mechanikus“ und konnten das Luftschiff nachbauen.
Der aus russischer Produktion stammende Konstruktionskasten „Planet Orbital 1“ dürfte in manchem Jugendlichen des damaligen Ostblocks Kosmonautenträume geweckt haben. Auf zum Hundsstern Sirius in der Zeitkapsel! Den unendlichen Weiten des Weltalls ganz nah war man in den 1980/90er Jahren mit der Plastik-Raumstation und Raketenstartrampe von Playmobil. Da setzt nur noch Lego mit seinem umfangreichen, von Star-Wars inspiriertem Luft- und Raumfahrtprogramm einen Noppen drauf.
Ein besonderes Augenmerk der Ausstellung gilt dem Kriegsspielzeug. Ursprünglich diente es als Lehrmittel für Königssöhne. Doch bereits im 18. Jahrhundert fand es Einzug in adlige und bürgerliche Haushalte. Besonders in Kriegszeiten gehörte es zum Spielalltag für Kinder, wurde aber auch gezielt ideologisch und propagandistisch instrumentalisiert.
Geradezu unheimlich ist der Bombenflieger „O-LAF“ mit Uhrwerkantrieb nach Heinkel-Vorbild, das durch abwerfbare „explodierende“ Bomben und den herausnehmbaren Piloten „Krieg spielen“ noch attraktiver machte. Augenfällig bei allen Blechspielzeugen: Mechanische Spielereien sind bei Blechspielzeug bis heute sehr beliebt. Oft drehen sich die Propeller oder andere Antriebe sorgen für Bewegung.
Als Blechspielzeug hergestellte zivile und militärische Flugzeugmodelle von DUX (mit Baukasten) Schuco (der „Radiant 5600“ war in den 60er Jahren ein Kassenschlager) und Märklin haben damals Kinderaugen zum Staunen gebracht und faszinieren bis heute.
Hoch im Kurs standen in den 1940-er Kriegsjahren auch militärische Spielfiguren jeder Waffengattung aus Elastolin. Hans-Jürgen Schalt bekam dafür von seinem Vater eine im Maßstab passende Kaserne aus Sperrholz gebaut, um die waffenstarrenden Soldaten davor zu postieren.
Die form- und maßgetreuen Wiking-Wehrmacht-Modelle waren, so der damalige Prospekt, „zum Spiel, wie auch zu ernsthafter Übung und Belehrung am Sandkasten bestimmt.“ Bei vielen weckte das kindliche Spiel mit den Miniaturmodellen eine Sammlerleidenschaft, die bis heute umfangreiche Sammlungen entstehen ließ.
Die Zahl der Bücher über Luft- und Raumfahrt von „Madlen wird Stewardess“ bis zu Saint-Exupery‘s „Der kleine Prinz“ befriedigt jedes Alter und Interesse. Im Aeronauticum können nicht nur Kleine, sondern auch Große abheben.
Die Ausstellung „Alles fliegt! Kinderspielzeug im Wandel der Zeit“ ist noch bis einschließlich Sonntag, 1. Mai, zu sehen.