Ob Auswanderung wirklich „kein schönerer Weg“ ist, thematisiert „Das letzte Kleinod“ in seinem neuen Stück im Columbusbahnhof    Foto: Siemssen

BREMERHAVEN sh ∙ Wie kein schöner Weg? Als erstes ist hier erstmal eine Übersetzung von Nöten: „No finer way“ kann man mit „kein edlerer Weg“ oder „kein schönerer Weg“ übersetzen. Und zwar im Sinne von „es gibt nichts Schöneres“. Gemeint sein dürfte hier das Thema der dritten Theaterproduktion des „Letzten Kleinods“, die in und über Bremerhaven handelt. Nach „PASSENGER PROCESSING“ 2021 und „Amerikalinie“ 2022 nutzt „No finer way“ 2023 den Columbusbahnhof erneut. Eine Triologie findet hier ihren Abschluss. Und wie man es vom „Letzten Kleinod“ gewöhnt ist, spielt das Stück „No finer way“ am Orginalschauplatz. Sozusagen Originalschauplatz, den bei „No finer way“ geht es um eine Fahrt auf dem Ozeanriesen „United States“, der von 1951 bis 1969 regelmäßig vom Columbusbahnhof aus nach New York startete und bei der Rückkehr auch dort wieder anlegte. Die „United States“ war aber nicht nur Vergnügungsdampfer, sondern in besonderer Weise auch Auswandererschiff im regelmäßigen Liniendienst.

Das Theaterprojekt „No finer way“ erzählt vom 15. August bis 10. September die Geschichte dieses Dampfers, seiner Passagiere und ihres hoffnungsvollen Neube- ginns in den USA.

Das Schiff hält dabei immer noch den ungebrochenen Rekord für die schnellste Atlantiküberquerung mit einem Passagierschiff, für die es 1952 mit dem Blauen Band ausgezeichnet wurde.

Die Ankunft des Ozeanliners versetzte Bremerhaven und das Umland jedes Mal in Aufruhr. Die Besatzung strömte in Läden, Kneipen und Restaurants der Hafenstadt. Kurz vor Abfahrt dröhnte dann das Typhon. Unzählige Menschen säumten die Columbuskaje, um den legendären Ozeanliner für die Reise in die USA zu verabschieden.
Die bedeutete nicht nur einen wirtschaftlichen Gewinn für die Stadt, sondern markierte auch ein kulturelles Highlight für den Ort.

Wie passend also, dass die Theatergruppe aus Geestenseth nun den Columbusbahnhof erneut zur Spielstätte erkor. Vielleicht zeigt die Nutzung des eigentlich zum Abriss bestimmten Gebäudes ja so seine endgültige Bestimmung.

Zur Vorbereitung reiste „Das Letzte Kleinod“ in die USA, um neben ehemaligen Besatzungsmitgliedern auch Passagiere der „United States“ zu interviewen. Von der Crew wurden zudem ein ehemaliger Bordfotograf, ein Steward und ein Maschinist ausfindig gemacht. Auch Ausgewanderte gaben Interviews in Florida, New York und Philadelphia und erzählten auch über das heutige Leben in Amerika. Hilfestellung gaben bei der Suche auch das Deutsche Auswandererhaus sowie das Schifffahrtsmuseum. Besonders spannend für die Rechercheure des Theaters: Im Rahmen der Recherchereise konnte die ausgeschlachtete „United States“ begangen werden, die heute im Hafen von Philadelphia an der Kette liegt. Auch ein Casting in New York konnte organisiert werden. In Deutschland wurden Interviews mit zurückgekehrten Ausgewanderten in Niedersachsen und Bremerhaven geführt. Sie bilden die Grundlage des Skriptes für „No finer way“.

Die Hauptproben fanden mit einem internationalen Ensemble vom 24. Juli bis 14. August 2023 im Columbusbahnhof statt. Auch das gehört zur guten Tradition des Theaters „Das letzte Kleinod“. Für das Ensemble wird gerne im Ausland nach guten Schauspielern und Schauspielerinnen gefahndet. Zur spielenden Truppe gehören diesmal Gonny Gaakeer, Daria Gabriel, Richard Gonlag, Wren Tanner Mack, Diederik Rep und Margarita Wiesner. Sie ist übrigens die einzige „Bremerhavenerin“.

Die Theaterszenen werden durch großflächige Licht-Installationen und Projektionen von authentischem Foto-Material am Gebäude des Columbusbahnhofes bereichert. Die Vorstellung öffnet den Blick für das Gebäude und die Geschichten, die mit diesem Ort verbunden sind. „No finer way“ wird in zwölf Szenen an verschiedenen Orten des Columbusbahnhofes gespielt, zahlreiche Freiwillige aus Bremerhaven und der Region wirken hierbei mit und unterstützen das internationale Ensemble. Die Vorstellung ist eingeschränkt barrierefrei, es werden mehrere Treppen gestiegen. Die Umgebung, das Material und die Requisiten lassen die Zeit der Überfahrten der „United States“ wieder aufleben, die Zuschauenden werden zu Reisenden in eine andere Zeit. Übrigens sollen die Requisiten, sofern sie nicht ohnehin den Museen Deutsches Auswandererhaus und Deutsches Schifffahrtsmuseum gehören, den beiden Häusern nach Spielende überlassen werden. Unter anderem finden dann alte Familienstücke, die dem Theater bei der Recherche von den Interviewten geschenkt wurden, einen neue Heimat.

Ergänzt wird das Stück durch zwei interessante Vorträge. Am Sonntag, 20. August, und Sonntag, 27. August, um jeweils 20 Uhr finden vor der Vorstellung von „No finer way“ thematisch passende Vorträge von Mitarbeiterinnen des Deutschen Schifffahrtsmuesums statt. Der Vortrag von Katharina Bothe am 20. August lautet: „Migration über das Meer: Die Geschichte der Passagierschifffahrt“; der Vortrag von Deike Reddig am 27. August lautet: „An Bord der ‚SS United States‘“. Die Vorträge können auch ohne Eintrittskarte zu „No finer way“ besucht werden, der Eintritt ist frei.