Immer heraufspaziert – das Freilichtmuseum mit technischen Maschinen und Gerätschaften hat immer geöffnet    Foto: jt

HEMMOOR jt ∙ „Graues Gold“ wurde der Baustoff hier genannt. Mehr als ein Jahrhundert lang wurde in Hem­moor Zement produziert. Das Reichstagsgebäude in Berlin wurde damit gebaut, sogar im Sockel der Freiheitsstatue in New York lässt sich Zement aus Hemmoor nachweisen. In Hamburg können sich unter anderem die U-Bahn, der alte Elbtunnel und das Chilehaus des Hemmoorer Zements rühmen, der sie bis heute zusammenhält.

Begonnen hatte alles 1859: Auf der Suche nach Braunkohle stieß man auf große Vorkommen von Kreide und Ton. Damit wurden eine Kalkbrennerei und eine Ziegelei betrieben, ehe 1866 die Zementproduktion begann. Das Werk investierte immer wieder in neue Anlagen. 1899 ging hier der erste brauchbare Drehrohrofen Deutschlands in Betrieb.

1905 waren es 2.000 Menschen, darunter Arbeiter aus Polen, Galizien, Russland und Rumänien, die hier in Lohn und Brot standen. Die Kreidegewinnung erfolgte anfangs noch per Hand mit Schaufel und Spitzhacke, die Loren wurden per Hand geschoben und von Pferden aus der Grube gezogen.

Mit der zunehmenden Mechanisierung sank die Zahl der Mitarbeiter auf etwa 500. 1967 übernahm die spätere Alsen AG die Fabrik und stellte die Produktion von Zementklinker 1976 ein. Die letzten sieben Jahre arbeitete das Werk nur noch als Zementmühle. 1983 wurde die Fabrik abgebrochen und die Überreste in den gefluteten ehemals 110 Meter tiefen Kreidesee geschoben. Heute 67 Meter tief ist er ein Paradies für Taucher mit interessanten Objekten darin, wie ein versenktes Flugzeug.

Einer, der bis zum Ende dabei war, ist der heute 82-jährige Edgar Tohoff. 30 Jahre lang hat er als Vulkaniseur im Zementwerk, hat Transportbänder eingezogen und repariert. Heute betreut er zusammen mit zwei ehemaligen Kollegen das Deutsche Zementmuseum Hemmoor – ehrenamtlich. „Am 1. Mai 2022 haben wir unser 25-jähriges Jubiläum mit der Schute als Museum“, sagt der ehemalige technische Zeichner und gelernte Maschinenschlosser Günter Tiedemann (81). Dritter im Bunde ist der ehemalige Elektriker Peter Stehno (75). Durch die drei Ehemaligen wird ein Stück regionale Industriegeschichte wieder lebendig.

Auf dem Freigelände sind eine Vielzahl von Exponaten, Maschinen und technischen Geräten zu bewundern. Im Laderaum der Zementschute zeugen viele Exponate und Fotos von einer bewegten Vergangenheit. Die Schute, in der das Museum beheimatet ist, stammt aus dem Jahre 1925. Auf ihr wurde der Zement vom werks­eigenen Oste-Hafen Schwarzenhütten über die Elbe bis nach Hamburg transportiert. Zurück kam der Kahn mit Kohle, um die Öfen beheizen zu können.

Die Schutenschifferei ging bis Ende 1954; danach übernahmen Lkws die Fracht. In den 60-ern hat man das ganze Werk noch einmal auf Vordermann gebracht. Auch in Staubfilter wurde investiert. Früher kam das alles durch den Schornstein und legte sich wie schmutziger Schnee über den ganzen Ort, alles war Grau in Grau. Die Zeiten sind lange vorbei. Für den Besucher liefert das Museum die Erkenntnis, dass Zement alles andere ist als langweilig.