OTTERNDORF tw ∙ Ab 1990 bestimmte Europa einen großen Teil von Brigitte Langenhagens (Foto: tw) Leben. Bis 2004 war sie Abgeordnete im Europäischen Parlament. Doch auch nach ihrem Ausscheiden 2004 ließ Europa sie nicht los. Als Mitglied der FMA, der Vereinigung der ehemaligen Parlamentarier, setzt sie sich immer noch für die EU und ihre Werte ein.
Es gibt Momente im Leben eines Menschen, die sein ganzes Leben verändern können. Für Brigitte Langenhagen war dieser Moment im Jahr 1990 gekommen. „Die Wiedervereinigung war das größte Ereignis in meinem persönlichen Leben.“ Und das nicht nur wegen der geschichtlichen Bedeutung. Denn im November 1990 ging der Europaabgeordnete Werner Münch als Finanzminister nach Sachsen-Anhalt. Und machte so seinen Platz im Europaparlament für die damals 50-Jährige frei.
Schon immer begeisterte Europäerin, hatte Langenhagen hier ihr Metier gefunden, für das sie noch heute brennt. Bis 2004 war sie Europaabgeordnete. Doch auch nach ihrem Ausscheiden ließen Brüssel und Straßburg sie nicht los. Sie wurde Mitglied in der „Former Members Association“ (FMA), dem Zusammenschluss der ehemaligen Europaabgeordneten. Als eine von zwei Delegierten vertritt sie die FMA auch in der Europäischen Ehemaligenvereinigung des Europarats (FP-AP), in der sie als eine von vier Vizepräsidenten fungiert.
„Wir wollen den wertvollen Europagedanken der Demokratie, Freiheit, Bewahrung des Rechts und der Meinungsfreiheit weitergeben“
Auch in der FMA ist sie im zehnköpfigen Vorstand vertreten und hier nicht nur verantwortlich für das vierteljährlich erscheinende FMA Bulletin, sondern auch für die Themen Wahlbeobachtung und „Democracy Building“, was für sie nicht nur mit Demokratie Förderung sondern mit Demokratie (er)leben verbunden ist. „Wir wollen den wertvollen Europagedanken der Demokratie, Freiheit, Bewahrung des Rechts und der Meinungsfreiheit weitergeben“, sagt sie. Und das auch im Sinne von Bildung. Eines ihrer Herzensprojekte ist das Programm „Living Bridges“, der Austausch mit Studenten. Diesen zu pflegen und junge Menschen für die Europäische Union und ihre Werte zu begeistern, ihnen zuzuhören, wie sie die Welt sehen und verbessern wollen, ist ihr immens wichtig.
Den Mut sich für andere aber auch sich selbst einzusetzen, Dinge nicht nur hinzunehmen, sondern kritisch zu hinterfragen und die Kraft, auch mal Kritik einstecken zu können, ist ihr schon in früher Jugend mitgegeben worden. „Als Mensch hat man einen Wert an sich, den man sich von anderen nicht kleinreden lassen sollte. Das heißt aber auch risikobereit zu sein.“ Das lernte sie schon zu ihrer Schulzeit in Hamburg. Hier besuchte sie die erste Schule der Hansestadt, in der Jungen und Mädchen gemeinsam unterrichtet wurden. Eine Schule, in der zum Unterricht auch das Theaterspielen gehörte. „Das gab uns eine gewisse Freiheit.“ Und die Gewissheit, dass Jungen und Mädchen als gleichwertig angesehen werden.
Das hat sie auch in der Politik sensibel dafür gemacht aufzuhorchen, wenn Frauen nicht die gleichen Chancen bekommen. „Weil ich wusste, es geht auch anders.“ Eine Chancengleichheit, die für sie auf allen Ebenen wichtig ist, denn „wirkliche Gemeinschaft gibt Stärke“.
Neben dem Einzug ins Europaparlament, gab es schon in Brigitte Langenhagens Jugend eine Entscheidung, die ihren weiteren Lebensweg bestimmte. Nach der Schule ging sie als „Mothers Help“ für ein Jahr nach Großbritannien. „Wenn ich nicht nach England gegangen wäre, wäre ich wahrscheinlich auch nicht in die Politik gegangen. Das Jahr hat meinen Lebenshorizont erweitert“, sagt sie. Und Freundschaften entstehen lassen, die bis heute halten. Sie ist überzeugt, dass der Kontakt mit vielen Nationen im vom Commonwealth geprägten England, ihre Neugier auf andere Menschen und ihre Lebensweisen, ihr den Weg ins Europäische Parlament geebnet haben.
Bereits in ihrem Berufsleben – inzwischen bei der Firma Lohmann in Cuxhaven tätig – setzte sie sich für andere ein, indem sie sich in den Betriebsrat wählen ließ. Lag in ihr doch immer das Bewusstsein, dass sie sich engagieren muss, um Dinge zu bewahren oder zu verbessern.
1971 trat sie in die CDU ein und engagierte sich von da ab auch kommunalpolitisch, war Mitglied im Stadtrat und im Kreistag, wurde hier auch als erste Frau in das Amt des stellvertretenden Landrats gewählt. 1989 erkämpfte sie sich bei der Europawahl Platz sechs auf der niedersächsischen Liste. Verpasste dann jedoch knapp den Einzug. Bis der November 1990 kam.
Als Europaabgeordnete war sie nicht nur stellvertretende Vorsitzende im Fischereiausschuss, sondern initiierte unter anderem die „Initiative Euroregion“ für das nordöstliche Niedersachsen, war Gründungsmitglied der „Allianz Maritimer Regionalinteressen in Europa“ und Vorsitzende der überfraktionellen „Maritimen Arbeitsgruppe“. Ein Engagement für das sie 1998 das Bundesverdienstkreuz erhielt.
„Sich einbringen, mitmachen und nicht nur unbeteiligt zuschauen“
Vieles, was ihren Lebensweg geprägt hat, steht für Brigitte Langenhagen auch für den Begriff Demokratie (er)leben. „Frühzeitig mit dem Erlernen beginnen und lernen und erkennen, dass nur so eine Gemeinschaft relativ gleichberechtigt funktioniert“, betont sie. Dazu gehört für sie auch: „Sich einbringen, mitmachen und nicht nur unbeteiligt zuschauen.“ Das heiße auch, das Gegenüber zu respektieren und eine Streitkultur zu leben, bei der man die Sache und nicht den Menschen kritisiere, Fakten und keine Fakes verbreite. Eines ist für sie ganz klar: „Ideologisches, wie etwa Verschwörungstheorien, hat in der Demokratie nichts verloren.“
Und was ist ihr nächster Schritt in die Zukunft? „Die Wiederwahl in die Vorstände der FMA und FP-AP, der ehrenamtlichen Vereinigungen des Europaparlaments und des Europarats“, so Langenhagen. Dafür bereitet sie gerade ein Kurz-Video mit Impressionen aus ihrer Heimat an der Elbmündung vor.