Mit viel Spielfreude stellte Beate Putzig Otterndorf auf neue Art und Weise dar Foto: tw
OTTERNDORF tw ∙ „Auf der Reeperbahn morgens um acht – wurden Taue und Seile gemacht – auf dem Norderwall – war das hier der Fall – der war lang genug – und da war Platz …“. Mit dieser Otterndorf-Version des Liedes „Auf der Reeperbahn nachts um halb eins“ fasste Beate Putzig am Dienstagabend am Ende ihres Ein-Personenstücks in der Grundschule Otterndorf die Geschichte der Stadt gekonnt zusammen. „Habe ich die Rolle?“, fragte sie am Ende verschmitzt. Was mit anhaltendem Applaus beantwortet wurde. Da blieb auch Thomas Dock, dem Vorsitzenden der Kranichhaus-Gesellschaft, die zu diesem Abend eingeladen hatte, nur zu sagen. „Das Casting haben Sie mit Bravour gewonnen“.
Ein Casting? Welches Casting? Dafür heißt es auf den Beginn des Abends zurückzublicken, bei dem es gleich am Anfang aus dem Off hieß: „Herzlich willkommen zum Casting für das neue Otterndorf-Projekt! Ihr Auftrag lautet: Spielen Sie die Stadt Otterndorf – gern im historischen Kontext“. „Ja was soll denn der Quatsch? Wie soll man eine Stadt spielen und das als eine Person. Eine ganze Stadt. Die spinnen doch“, entfuhr es Putzig, und bemerkte mit einem Blick auf die Büste von Johann-Heinrich Voß: „Du siehst ja schon ein bisschen tot aus. Mit dir kann man ja nicht spielen.“ Doch dann entdeckte sie das Buch „Geschichten zur Geschichte Otterndorfs.“ Und so hieß sie das Publikum zu einem Abend über das Nordseebad, dass eigentlich an der Elbe liegt, willkommen. Mit Geschichten, Gedichten und Gesang hauchte sie Bekanntem, wie der Übersetzung von Homers „Odyssee“ durch Johann-Heinrich Voß – mit einer musikalischen Erklärung der Rhythmik des von ihm verwendeten Hexameters – neues Leben ein. Was sie zu der Bemerkung veranlasste: „Gut, dass du in der damaligen und nicht in der heutigen Zeit gelebt hast. Denn die Odyssee im Techno-Rhythmus …?!“
Doch auch nicht so ganz Bekanntes wie die zwei Kraniche am Kranichhaus, die sich um Mitternacht die Kugeln zuwerfen, um wach und wachsam zu bleiben; die Otterndorfer Strandräuber, die den Hamburger Pfeffersäcken „mit Leuchtfeuern den Weg zum Kentern wiesen“; und das man noch heute in Otterndorf „auf den Strich gehen kann“ und das ganz gesittet, gehörte zum Geschichten-Repertoire. Ebenso wie die Entstehung der Stadt, der Deichbau, der Utröper und „das Gefängnis, das heute noch an Ort und Stelle steht als Rückzugsmöglichkeit für gestresste Manager“.
Die Idee, einen ganz neuen Blick auf die Stadt Otterndorf zu werfen kam Beate Putzig auf Kreuzfahrten, bei denen sie es immer interessant fand, wenn die Lektoren die angesteuerten Reiseziele vorstellten. Warum so etwas nicht auch für die Stadt Otterndorf machen, fragte sie sich. Doch wie dem ganzen einen eigenen Twist, etwas Besonderes geben. Durch ihre Erfahrungen als Moorhexe und plattdeutsche Stadtführerin war es für sie nichts neues, Geschichte lebendig darzustellen. Und nach einigem Überlegen und einem Rundgang durch die Stadt, bei dem ihr Mann Jörn – der auch für die technische Umsetzung verantwortlich zeichnet – passende Bilder machte, kam ihr der Gedanke mit dem Casting. Mit Erfolg, wie der Abend zeigte.
Und auch wenn es am Ende des umgedichteten Hans Albers-Liedes vom Anfang hieß: „Auf der Reeperbahn tags um halb zwei – wenn die Schule ist aus und vorbei – drängt ein Schülerschwall – auf den Norderwall – weiß nicht einmal – dass es sie gab“, konnte das Publikum an diesem Abend das Gegenteil behaupten.