Das letzte Kleinod spielte im Sonderzug Demokratie   Foto: Siemssen

GEESTENSETH re ∙ Die Bilder von Prag gingen damals um die Welt. Geflüchtete aus der DDR kletterten über den Zaun der westdeutschen Botschaft, um ihre Ausreise zu erzwingen. Kurz darauf fiel die Mauer. Im vergangenen Jahr entstand auf der Ladestraße des Bahnhofs Geestenseth eine vielbeachtete Theateraufführung über diese Ereignisse, die als Eisenbahntheater an den originalen Schauplätzen der „Züge in die Freiheit“ gespielt wurde. Jetzt war das Theater „Das Letzte Kleinod“ zum 35. Jahrestag der Friedlichen Revolution eingeladen.
Schon die Vorbereitungen im letzten Jahr waren sehr berührend: Ehemalige Angehörige der Prager Botschaft und Geflüchtete erzählten dem Kleinod ihre persönlichen Erinnerungen, oft unter Tränen. Höhepunkt war eine Probe im Garten der Prager Botschaft, als der Darsteller Sven Reese die berühmte Rede Genschers auf dem Balkon des Palais vortragen durfte. Eine Rede, die nur aus einem Satz bestand und im Jubel der Geflüchteten unterging. Honecker hatte die Ausreise der Geflüchteten mit Zügen der Reichsbahn durch die DDR gestattet.

Das Theater „Das Letzte Kleinod“, das die dokumentarischen Theatervorstellungen meist nach Interviews mit Zeitzeugen entwickelt, führte dieses Projekt mit dem „Ozeanblauen Zug“ in Niedersachsen und vier weiteren Bundesländern auf. Die erfolgreichsten Vorstellungen fanden aber an jenen Bahnhöfen statt, wo die „Züge in die Freiheit“ 1989 durchkamen. Die Strecke wurde damals von der Volkspolizei hermetisch abgeriegelt, damit niemand auf die Waggons aufspringen konnte. In Plauen im Vogtland kamen viele Zeitzeugen zu den Vorstellungen, welche die Aufruhrstimmung damals persönlich miterlebt hatten.
Jetzt lud die Stadt Plauen das Eisenbahntheater zu einer ganz besonderen Aktion ein, die an die Massendemonstrationen im Herbst 1989 in den beiden Städten erinnern sollte. Der „Sonderzug: Demokratie erfahren“ fuhr von Plauen nach Leipzig. Mit an Bord waren Medienvertreter, Politiker, Wissenschaftler und das Theater „Das Letzte Kleinod“. Im fahrenden Zug führte das Theater Szenen aus „Über den Zaun“ auf.

Mit den 150 Mitreisenden aus Plauen ging es nach Ankunft des Sonderzuges am Leipziger Hauptbahnhof zum Festakt in das Gewandhaus. Bundeskanzler Olaf Scholz und die Bürgerrechtlerin Marianne Birthler hielten Reden zur Demokratie. Mit dabei war auch der Bürgermeister der Leipziger Partnerstadt Kiew, Vitali Klitschko. Bei Anbruch der Dunkelheit startete das Lichtfest mit zahlreichen Projektionen und Lichtinstallation, die an die Massendemonstrationen vor 35 Jahren erinnern sollten. Zehntausende von Besuchende flanierten bis Mitternacht durch die abgedunkelte und komplett für den Straßenverkehr gesperrte Innenstadt.