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Dr. Volker Stanzel bei seinem Vortrag      Foto: Helmholtz

FREIBURG/ELBE gs ∙ Auf reges Interesse stießen die Ausführungen des ehemaligen Botschafters in China Dr. Volker Stanzel zu den Beziehungen zwischen der Europäischen Union und China. An zwei Abenden beschrieb Stanzel im ausverkauften Kornspeicher die aktuellen Konfliktpotenziale zwischen wirtschaftlichen Abhängigkeiten einerseits und unterschiedlichen Wertvorstellungen andererseits.

Chinas Aufstieg hat den Chinesen und Chinas Partnern Wohlstandszuwachs und Wachstum gebracht. Beide Seiten sind interessiert, dass sich diese Entwicklung fortsetzt. Die Öffnung Chinas öffnete jedoch auch die Tür auch für das Eindringen von liberalen, demokratischen und rechtsstaatlichen Wertvorstellungen der internationalen Gemeinschaft, so Stanzel.

Dies gefährde allerdings die Herrschaft der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh). Die KP kämpfe daher darum, ihre Macht auszuweiten: durch zunehmende Kontrolle und Steuerung der Gesellschaft, durch Nationalismus und das Abschließen gegen Einflüsse von außen sowie massive Repression. Diese Repression richtet sich nicht nur nach innen, sondern auch immer mehr nach außen: wirtschaftlich, militärisch und mit anderen, modernen Druckmitteln.

Sich diesem Druck zu widersetzen, falle schwer. Es sei zwar einfacher, sich den chinesischen Forderungen anzupassen, weil dies auch in Zukunft profitable Kooperation verspreche. Aber der Raum möglicher Kooperation enge sich immer weiter ein. So dürfen beispielsweise aktuell keine Waren aus Litauen mehr nach China exportiert und keine chinesischen Waren nach Litauen eingeführt werden. Der Grund: Litauen hatte Taiwan die Einrichtung einer Vertretung in Vilnius angeboten, und zwar unter dem Namen „Taiwan-Vertretungsbüro“. Die Verwendung des Begriffs „Taiwan“ verbietet die Volksrepublik China (VRCh) aber, weil sich dahinter angeblich die Anerkennung eines Staates Taiwan verberge, wo Taiwan doch eigentlich eine Provinz der VR sein müsse. In Wahrheit ist Taiwan jedoch eine liberale, rechtsstaatliche Demokratie und bedroht damit die Machtinteressen der KPCh.

In der anschließenden Fragerunde standen vor allem Fragen zur Positionierung Europas zwischen den Großmächten China, Russland und USA im Mittelpunkt. Was tun, wenn um uns herum und in Europa selbst immer mehr Diktaturen entstehen, die uns die Regeln aufzuzwingen scheinen? Hier sieht Stanzel nur eine Möglichkeit: ein einiges, starkes Europa, das auf internationalen Regeln der UNO und anderen internationalen Vereinbarungen bestehen muss. Mit dem Ziel, das errungene liberale, internationale Ordnungssystem aufrechtzuerhalten. Politisch basierend auf demokratischen Prozessen, Diplomatie und Dialog, notfalls auch um den Preis wirtschaftlicher Nachteile. So blieb auch Litauen hart, widersetzte sich dem Druck der der VRCh und nimmt entsprechende wirtschaftliche Einbußen in Kauf. Außerhalb des chinesischen Marktes sei es erforderlich, den chinesischen Unternehmensakteuren durch Gegenmacht Zwänge aufzuerlegen. Das wäre eine Aufgabe für die EU, auch für die neue Bundesregierung.

Die Resonanz im Publikum war ausgesprochen positiv. Einige Zuhörer verfügten selbst über Chinakenntnisse. „Es war sehr aufschlussreich und hat meine eigenen Vorstellungen und Erfahrungen abgerundet“ urteilte Jörg Oldenburg aus Oederquart. „Das war fantastisch, Ich habe eine chinesische Schwiegertochter, und wir diskutieren ständig über diese Themen“ erklärte Monika Vollmann ihr Interesse. Claus Schmoldt aus Oederquart, Marco Grajetzki und Carsten Wist aus Wischhafen hätten zwar gerne „mehr über praktische Erfahrungen eines Botschafters“ gehört. Aber durch den Vortrag „wurde viel klarer, dass in China eine Diktatur herrscht. Wären wir wirtschaftlich nicht so abhängig, würden wir mit dem Finger auf das Land zeigen“ so Carsten Wist. Wobei Ulrike Meyer aus Freiburg darauf verwies, „dass man zwischen China und der kommunistischen Partei unterscheiden muss.“ Herbert und Ilse Bruns, ebenfalls aus Freiburg befanden einhellig, dass der Vortrag „ein Plädoyer für die Demokratie“ gewesen sei. „Mehr Veranstaltungen dieser Art hier in der Region“ war der am häufigsten geäußerte Wunsch an diesen beiden Abenden.

So bedankte sich Kornspeicher-Vorstand Jörg Petersen denn auch mit einem Gastgeschenk aus der Region: angesichts stürmischer Zeiten mit einer Friesenmütze und dem Krimi „Das armenische Tor“ von Wilfried Eggers. Zumal der ehemalige Botschafter auf ein Honorar zugunsten des Kornspeichers verzichtet hatte.