Klaus Rogge, vom Vorstand der ver.di-Senioren, bedankte sich bei Maren Reese-Winne für ihre ausführlichen Informationen zum Thema Pressefreiheit     Foto: tw

LANDKREIS tw ∙ Sie gilt als Basis einer demokratischen Gesellschaft – die Pressefreiheit. Doch in immer mehr Ländern ist sie bedroht, und das gilt nicht nur für weit entfernte diktatorisch regierte Länder, sondern ist inzwischen auch in Europa und Deutschland angekommen. Als „sehr Besorgnis erregend“ hat Sigrun Albert, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands Digitalpubli­sher und Zeitungsverleger (BDZV), die wachsende Gewalt gegen Medienschaffende in Deutschland bei der Vorstellung der sechsten „Feindbild-Studie“ des „European Center For Press and Media Freedom“ (ECPMF, Leipzig) bezeichnet. „Leider bestätigt die neue Feindbildstudie unsere Vermutung, dass zunehmend auch lokale Journalistinnen und Journalisten von gewalttätigen Angriffen aufgrund ihrer Arbeit betroffen sind“, sagte sie.

„Die Beeinträchtigung der freien Presse ist der erste Schritt zur Beschneidung aller Grundrechte“

„Ist die Pressefreiheit bedroht?“, hieß dann auch ganz aktuell eine Veranstaltung der ver.di-Senioren, zu der Vorstandsmitglied Klaus Rogge am Dienstag letzter Woche ins KulturBistro (KuBi) eingeladen hatte. Er freute sich, mit der Journalistin Maren Reese-Winne, Redakteurin der Cuxhavener Nachrichten, eine kompetente Referentin begrüßen zu können, die sich in ihrer Arbeit auch immer wieder mit dem Thema Demokratie und den Gefahren, denen sich diese gegenüber sieht, auseinandersetzt. Seit 37 Jahren im Beruf habe sie es sich nicht vorstellen können, dass man einmal als „Lügenpresse“ beschimpft werden würde. Wohin dieses Misstrauen führt, machte sie an mehreren Beispielen deutlich, wie etwa aktuell in Russland, wo eine ganze Gesellschaft systematisch von unabhängigen Informationen abgekoppelt würde oder in Ungarn, wo Viktor Orban die Medienlandschaft Schritt für Schritt unter seine Kontrolle gebracht habe. Was eine besorgniserregende Entwicklung nach sich ziehe.

„Die Beeinträchtigung der freien Presse ist der erste Schritt zur Beschneidung aller Grundrechte, und dies findet überall in Europa und der Welt statt“, sagte Reese-Winne. Statt dieses zur Kenntnis zu nehmen, entzögen viele Menschen jedoch den Medien ihr Vertrauen. „Das wird gefährlich, sobald dieses über eine gesunde, berechtigte Skepsis und einen kritischen Blick hinausgeht, also in eine pauschale Ablehnung ‚der Medien‘ umschlägt“, betonte sie und machte dies für Deutschland auch anhand von Daten der Feindbild-Studie anschaulich: Mit 83 tätlichen Angriffen gegen 124 Medienschaffende überstieg das Jahr 2021 nochmals den Höchststand von 2020, in dem es 69 Angriffe gegeben hat. Demonstrationen werden dabei zu Tatorten. 95 Prozent dieser Angriffe haben sich auf Demonstrationen ereignet, 75 Prozent aller Fälle bei Protestveranstaltungen gegen die Corona-Maßnahmen. Demonstrationen sind demnach der gefährlichste Arbeitsort für Journalisten. Weitere 19 Fälle haben sich im Dezember 2021, 18 Fälle im Januar 2022 ereignet.

„Reporter ohne Grenzen“ sage hierzu: „Wer Journalistinnen und Journalisten pauschal zu Sündenböcken für gesellschaftliche Missstände macht, bereitet den Boden für Übergriffe, Attentate und sogar Morde.“ Ein Zitat, das in gleichem Maße auf Politiker sowie alle, die sich gesellschaftlich engagieren, zutreffe, wie Reese-Winne betonte.
Es sei eine systematische Hetze, die ein Klima der Angst erzeugen solle, mit dem Ziel Journalisten von der Protestberichterstattung zurück zu halten. Weniger Berichterstattung bedeute aber auch weniger Transparenz. Noch größer werde aber die Bedrohung für die Demokratie, wenn Journalisten sich ganz aus dem Beruf verabschieden und junge Leute sich gar nicht mehr hierfür entscheiden würden.

„Wenn aber Medienvielfalt und die Vielfalt veröffentlichter Meinungen abnehmen, können ganze Regionen aus dem Bewusstsein verschwinden“, sagte Reese-Winne. Diesem müsse dringend gegengehalten werden. So wurde etwa bereits im letzten Jahr auf Ini- tiative von „Neue deutsche Medienmacher e.V.“, ver.di, DJV, Reporter ohne Grenzen e.V. sowie VBRG e.V. mit einem Medienkodex auf die steigende Zahl der tätlichen und verbalen Übergriffe reagiert, der verpflichtende Maßnahmen zum Schutz und zur Unterstützung von Journalisten enthält.

Maren Reese-Winne sieht aber auch die Zeit gekommen, für eine gesellschaftliche Bewegung, die sich für die Bewahrung der Pressefreiheit einsetzt.