Dr. Ralf Altenhoff (r.), Leiter der KAS Bremen, hatte zur Veranstaltung den Historiker Dr. Hubertus Knabe eingeladen Foto: tw
BREMERHAVEN tw ∙ „Noch immer halten sich viele Mythen, nach welchen das Leben in der DDR ‚doch gar nicht so schlecht gewesen ist‘“, so Dr. Ralf Altenhoff, Leiter der Konrad Adenauer Stiftung Bremen (KAS). Wodurch die DDR-Diktatur verharmlost würde. „Je weiter wir uns von der DDR entfernen, umso schöner wird sie dargestellt.“ Negatives wie Freiheitsbeschränkung, Tote an der der Mauer, Überwachung durch die Stasi, nicht die Möglichkeit zu haben, zu studieren was man wollte, die politische Indoktrinierung von Kindern und vieles mehr würden ausgeblendet oder verharmlost, wie er am Montag bei einer Veranstaltung der KAS unter dem Titel „Vom fröhlichen Wiederaufrichten der DDR“ im Deutschen Auswandererhaus deutlich machte.
Für den Historiker und Publizisten Dr. Hubertus Knabe, der seit über 40 Jahren zur DDR forscht, ist es „das süße Gift der Ostalgie“, das eher mit Psychologie als mit Fakten zu tun hat, wenn man feststelle, in einer menschenverachtenden Diktatur gelebt zu haben.
„Die unaufgearbeitete Vergangenheit der westlichen Elite“
An diesem Abend ging Knabe der Frage nach, warum die SED-Diktatur nicht zu einem Bruch wie beim Nationalsozialismus geführt habe? Dem läge ein Bündel an Ursachen zu Grunde. Und eine liege im Westen selbst: „Der unaufgearbeiteten Vergangenheit der westlichen Elite.“ Lehrer, Hochschulprofessoren, Politiker und Journalisten hätten oft ein unkritisches Verhalten zur DDR an den Tag gelegt. „Und dieser Irrtum ist nie aufgearbeitet worden“, sagte er. Und nannte als prominentes Beispiel Bundeskanzler Olaf Scholz, der Kontakte zur FDJ gepflegt habe, inklusive einem Empfang bei Egon Krenz. Dabei betonte er, „dass irren menschlich ist“. Er vermisst aber die Reflektion über das Geschehene und die Erkenntnis, dass man sich geirrt habe.
Für ihn mit ein Grund, dass eine kritische Auseinandersetzung mit der SED-Diktatur wie beim Nationalsozialismus ausgefallen sei. Und das sei kein ostdeutscher Grund, wie er betonte.
Eine Rolle spielten aber auch die Bürgerrechtler, die Versöhnung und keine Abrechnung wollten. Was aber auch bedeutete, dass das Bedürfnis, die Verantwortlichen vor Gericht zu stellen, gering war. Und da nach der friedlichen Revolution die SED weder aufgelöst noch verboten wurde und in der Linken weiterlebe, spiele die Ideologie weiter eine politische Rolle. Wobei es den Protagonisten gelinge, nicht den Konflikt gegen die SED, sondern Ost gegen West in den Köpfen zu verankern. Als Beispiel nannte er die marode Ostindustrie, für die nicht die Planwirtschaft der SED, sondern die Treuhand verantwortlich gemacht wurde.
Dass weder die Symbole noch die Ideologie der Diktatur strafrechtlich verfolgt wurden, sieht Knabe als Fehler an. „Wenn eine Tat nicht bestraft wird, erscheint sie als legitim oder wenigstens geduldet.“
„Ideologische Kontinuität von Antiamerikanismus, Antiisraelismus, Antikapitalismus“
Ein anderer Punkt, den er ansprach, waren die Opfer der Diktatur. „Welche Bedeutung wird ihnen zugestanden, wie wurden sie entschädigt, wie geehrt?“ Die Bilanz sieht für ihn eher düster aus. Zudem wies er darauf hin, dass Menschen die sich gegen das Regime wandten, oder auch einfach nur ein Elternteil mit akademischer Bildung hatten, nicht die höhere Schule oder gar ein Studium beginnen konnten. Fehlende Abschlüsse hätten deshalb nach der Wende dazu geführt, „dass Schlüsselpositionen nicht an die gegangen sind, die gegen das Regime gekämpft haben, sondern an die, die sich angepasst haben“.
Im Mangel an einer kritischen Auseinandersetzung mit der SED-Diktatur sieht er auch Folgen bis in die heutige Politik, die vor allem bei den Linken eine ideologische Kontinuität von Antiamerikanismus, Antiisraelismus, Antikapitalismus bis zu einem negativen Verhältnis zur Marktwirtschaft und zur parlamentarischen Demokratie erkennen lasse. Und in diesen Punkten sei der Weg „von der Linkspartei zur AfD nicht weit“.
Knabe verwahrte sich bei der Diskussion aber auch gegen den Begriff „des Ostdeutschen“. „Den Funktionär mit dem Häftling in ein Boot zu setzen finde ich unverschämt.“ Und er wies darauf hin, dass sich der Osten durch große Wanderungsbewegungen in beide Richtungen sehr durchmischt habe.
Zum Schluss mahnte er mit einem Zitat des Philosophen George Santayana: „‚Wer sich seiner Vergangenheit nicht erinnert, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen‘ Hoffen wir, dass uns das erspart bleibt.“
Zur Person
Dr. Hubertus Knabe war nach der Wiedervereinigung beim Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der DDR tätig. Im Jahr 2000 wurde er zum Gründungsdirektor der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen berufen. Seit 2020 arbeitet Knabe an der Universität Würzburg. Er ist Mitglied des Zeithistorischen Beirates der Konrad-Adenauer-Stiftung. Zu seinen Büchern gehören „Die unterwanderte Republik. Stasi im Westen“ sowie „Honeckers Erben. Die Wahrheit über die Linke“.