Daniele Palu an seinem Schreibtisch im Gartenhaus. Mit Blick nach draußen durch die inzwischen schalldichten Fenster des renovierten Domizils. Sein Lieblingsplatz ist jedoch der Treppenabsatz vor der Haustür. Denn er findet: „Das Schreiben ist ein Prozess, bei dem die Umgebung inspiriert.“ Leider machte ihm das Wetter einen Strich durch die Rechnung. „Bisher bin ich nur dreimal dazu gekommen.“ Foto: tw
OTTERNDORF tw ∙ Wenigstens 40 bis 50 Seiten schreiben, sieben Bücher lesen, zwei Exposés schreiben und sich mehr Zeit für Begegnungen mit Otterndorf und seinen Bewohnern nehmen. Für seinen erneuten einmonatigen Aufenthalt im Gartenhaus am Süderwall hatte sich Daniele Palu, Stadtschreiber 2023, viel vorgenommen. „Und ich liege gut in der Zeit“, sagt er strahlend bei einem Gespräch bei ihm im Gartenhaus. Das Schreibpensum hat er wie geplant in den ersten drei Wochen gut hinbekommen. Nur beim Lesen der Bücher liege er noch etwas im Hintertreffen. Doch in den letzten zehn Tagen seines Aufenthalts stand erstmal das Schreiben der Exposés im Vordergrund. Was ihn jedoch am meisten freut: „Ich habe in diesem Monat mehr Einladungen annehmen können als in den fünf Monaten meiner ersten Stadtschreiberzeit.
Und noch etwas anderes freute ihn: Seine Eltern kamen zu Besuch. „Und wir hatten einen wunderschönen Tag in Otterndorf.“ Vor allem sein Vater sei wie er total vom Ferienpark begeistert gewesen. „Da ist mir das Herz aufgegangen“, so Palu. Ging es ihm doch bei seiner ersten Begegnung mit Otterndorf genauso. Eine Liebe, die auf Gegenseitigkeit beruht, wie nicht nur die bis auf den letzten Platz besetzte Stadtscheune bei seiner Lesung Anfang Juli deutlich machte. Denn wenn er durch die Stadt gehe oder radle, „fühle ich mich wie in einer kitschigen Serie, alle freuen sich und rufen meinen Namen“, erzählt er, und scheint darüber selbst am meisten erstaunt.
Gerade deswegen findet er es besonders schade, dass er nicht alle Einladungswünsche erfüllen konnte. Doch ihm sitzt wie bei seinem ersten Stadtschreiberaufenthalt nicht nur der Abgabetermin für seinen dritten Marconi im Nacken. Er muss auch das Exposé für den vierten Band rechtzeitig einreichen.
„Die Idee habe ich schon komplett im Kopf. Das wann, wie, wo, und es wird auch der ungewöhnlichste, wenn der Verlag will, dass ich noch einen schreibe.“ Und ihm schwebt auch noch ein anderes Projekt vor. „Ein Thriller, der für sich allein steht, mit dem ich aus dem ausbreche, was ich bisher geschrieben habe. Ein reiner Pageturner, pure Spannung ohne Humor.“ Und für diesen Thriller das Exposé zu schreiben sei aufwendiger, denn es gebe mehr Wendungen. Doch er gab schon mal einen kleinen Einblick. „Er wird nicht blutrünstig, aber psychologischer, ohne Splatter, aber mit emotionaler Eskalation.“
Doch warum zwei Exposés gleichzeitig? Aus einem einfachen Grund: „Beruflich wird mir schnell langweilig.“ Doch Marconi-Fans müssen sich keine Sorgen machen. Denn wenn man ihm so zuhört, möchte er gerne mit seiner Marconi-Reihe weitermachen, wenn sein Verlag es will. Und wenn man seiner Lektorin Dinah Fischer so zuhört, scheint das nicht ganz so abwegig. Auf seine Einladung hin war sie bei seiner Lesung am 8. Juni zu Gast. „Mit Palu zusammenzuarbeiten ist die totale Freude“, sagt sie. Und das vor allem aus einem Grund. „Man merkt das er seine Bücher gerne schreibt.“ Doch es gibt noch einen zweiten Grund. „Von Anfang an lagen wir auf einer Wellenlänge.“ Was nicht selbstverständlich sei, wie sie betont. „Er weiß, was ich meine, und ich weiß, was er sagen will.“
Stimmt der Spannungsbogen, ist es zu langsam, gibt es zu viele Figuren? Nur einige der Punkte, auf die ein Lektor achte, gab sie einen Einblick in ihre Arbeit. Doch auch wenn sie Stilkritik übe, „die Oberhoheit über den Text hat der Autor, ich mach Anmerkungen und stelle Fragen“. Eine Zusammenarbeit, die Palu selbst sehr zu schätzten weiß. Denn auch wenn er manche Kürzungen – zusammengerechnet rund 60 Seiten beim ersten Band – hinnehmen musste, am Ende habe seine Lektorin recht gehabt: „Denn ich habe keine einzige Zeile vermisst.“
Doch eines kann er dann doch nicht lassen. Sie findet „zwei Witze pro Seite reichen, und es müssen nicht fünf Vergleiche hintereinander sein“. Ein Einwand dem er nur zustimmen kann. Und kann es trotzdem nicht lassen hin und wieder doch einen dritten Gag einzuschmuggeln, mit dem Hintergedanken „ein Kalauer für Dinah geht noch“.
Was Palu bei der Zusammenarbeit zu seinem ersten Marconi besonders schätzte, „dass sie mir nicht die Otterndorf-Szene rausgestrichen hat“. Und nach einem „kleinen Speeddating“ mit Otterndorf, war Fischer genauso schockverliebt in die Stadt wie der Autor selbst und kann jetzt verstehen, dass Palu das Nordseebad in seine Marconi-Krimis eingeschmuggelt hat.
Doch eigentlich hat es die Hauptfigur Marconi erstmal von München nach St. Peter Ording verschlagen. Muss er sich doch um die Kinder seines Bruders kümmern, der kurz zuvor gestorben war. Und dafür in Kauf nehmen, zum Dienststellenleiter der örtlichen Polizeiwache degradiert zu werden. Was ihn und seine Kollegen trotzdem nicht davon abhält selbst zu ermitteln, auch wenn sie nicht sollten.
Bei der Lesung wählte er gekonnt drei Szenen aus, die immer mit einem Cliffhänger endeten. Doch wie kommt er auf die Ideen für seine Bücher? 20 Jahre als Journalist für Kriminal- und Wissensmagazine tätig, sei er auf so viele interessante Sachen gestoßen, die – wie in seinem aktuellem Marconi die Ölplattform „Mittelplate“ – Einzug in seine Romane finden. Wobei im Fall „Mittelplate“ eine direkte Recherche vor Ort nicht möglich war, so Palu. „Die CIA ist nichts dagegen“, sagte er schmunzelnd. Und hat sich in Büchern und Dokumentationen informiert. Worauf seine Lektorin meinte: „Ein bisschen künstlerische Freiheit darf ja auch sein.“ Ein Satz, dem Palu nur zustimmen konnte, vor allem auch hinsichtlich der Polizeiarbeit. „Das 25 Leute ermitteln, viele Protokolle zu schreiben sind, dass will ja keiner lesen.“ „Und ich hätte das sofort rausgestrichen“, bestätigte Fischer lachend. In erster Linie müsse ein Krimi unterhalten, die Detailgenauigkeit stehe dahinter.
Und was ist mit den Büchern, die er nach Otterndorf mitgenommen hat. „Das sind Debüt-Krimis, die ich als Mitglied der Jury für den Glauser-Preis lese.“ 25 sind es bisher, 60 kommen wohl noch dazu.
Seine Leser können sich aber erstmal auf Band 3 freuen, der im April nächsten Jahres erscheint. Mit dem Titel „Marconi und das Schweigen der Lämmer“. „Und ich bin so glücklich, dass ihr mir nicht den Vogel gezeigt habt“, strahlte Palu übers ganze Gesicht in Richtung Dinah Fischer.