Oberland, Schleswig-Holstein, Deutschland

Scharhörn steht im Mittelpunkt der Diskussionen             Foto: Roletschek

HAMBURG/LANDKREIS tw ∙ Die Empörungswelle ebbt seit gut zwei Wochen nicht ab und das Unverständnis über Hamburgs Pläne, Baggerschlick vor Scharhörn zu verklappen ist riesengroß. „Das Wattenmeer und die Nordsee sind doch keine kostengünstige Müllkippe einer verfehlten Hafenpolitik“, empörte sich etwa der Vorsitzende der Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste, Gerd-Christian Wagner. Das wollen die Hamburger so nicht auf sich sitzen lassen und luden am Mittwoch letzter Woche zu einer digitalen Pressekonferenz mit Andreas Rieckhof, Staatsrat der Hamburger Behörde für Wirtschaft und Innovation und Claudia Flecken, Leiterin für Infrastruktur Wasser der Hafenbehörde Hamburg Port Authority HPA.

„Vieles sehr unzutreffend dargestellt“

Vieles von dem, was er gelesen habe, so Rieckhoff, sei „sehr unzutreffend dargestellt“. Gegen eines verwahrte er sich besonders. Kein Giftschlick, sondern nur gering belastetes elbtypisches Sediment werde verbracht. Alles was problematisch sei, werde auf eine Deponie an Land gebracht. Auch sei die Baggerei keine Folge der Elbvertiefung, sondern eine Daueraufgabe, die Hamburg verlässlich und im vollen Umfang leisten müsse, damit die Hansestadt als bedeutendster Deutscher Seehafen auch erreichbar bleibe. Würden die Sedimente nicht regelmäßig gebaggert und verbracht, käme der Verkehr auf der Unterelbe und dem Hafen sukzessive zum Erliegen. „Das können und werden wir nicht zulassen, denn wir müssen die geforderte Sicherheit des Schiffsverkehrs sicherstellen.“

Und das stellt Hamburg vor ein Problem. Denn der Großteil des verklappten Baggerguts, vier Millionen Tonnen, landet bei der Elbinsel Neßsand. Verbunden mit einer Kreislaufbaggerei, die „totaler Wahnsinn ist. Die Kreislaufbaggereien belasten den Lebensraum Elbe. Sie sind sowohl unter ökologischen als auch ökonomischen Gesichtspunkten für Hamburg nachteilig. Und deswegen haben wir uns zunächst einmal über die Frage unterhalten, wie wir im Interesse der Schifffahrt aber auch des Naturschutzes eine Lösung finden können, die auch nachhaltig unser Sedimentmanagement auf neuen Beine stellt“. Ein Teil der Lösung ist die Verklappung von einer Million Tonnen Trockensubs­tanz vor Scharhörn von Oktober bis Mitte April.

Für das Einbringen von Baggergut aus der Bundeswasserstraße Elbe in die Seewasserstraße des Bundes im Bereich der Hamburger Außenelbe sei keine wasserrechtliche Erlaubnis erforderlich, da die HPA in ihrem Handeln von wasserrechtlichen Verwaltungsakten freigestellt sei, betonte Rieckhof.

Claudia Flecken stellte die Kernaussagen der Prognose vor, die in der Summe keine erheblichen Auswirkungen auf Umwelt, Fischerei und Tourismus gezeigt hätten: „Das umgelagerte Baggergut wird nahezu vollständig von der Verbringstelle wegtransportiert. Die Ausbreitung der feinen und mittleren Sedimentfraktionen wird überwiegend in Richtung Nordsee ausgetragen. Der verbleibende Eintrag in die Wattflächen ist sehr gering und nur vorübergehend, da in Phasen mit Sturmfluten oder starkem Seegang die Sedimente wieder mobilisiert werden. Messbare Erhöhungen von Schadstoffgehalten werde in Sedimenten nur sehr kleinräumig und temporär auftreten, die natürliche Sedimentation und Dynamik führe zu einer schnellen weiträumigen Verteilung und Verdünnung der nur gering belasteten Sedimente. Badegäste in Cuxhaven und auf Neuwerk sind und bleiben sicher. Es sind keine zusätzlichen Schlickauflagen an den Stränden zu erwarten, die Wasserqualität bleibt unverändert gut.“

„Das ist fragwürdig“

Aussagen die Cuxhavens Oberbürgermeister Uwe Santjer nicht milder stimmen. „Selbst die Prognosen zeigen sehr deutlich, dass das belastetes Material ist, und ich finde wir sollten uns nicht trösten lassen, wenn es heißt es ist nur ein bisschen belastet“, sagte er am Donnerstag beim Besuch von Ministerpräsident Stephan Weil in Cuxhaven (siehe Seite 5). Und auch Ausführungen von Anja Stute, Leiterin der Fachabteilung Naturschutz im Cuxhavener Rathaus zeigten, dass dem schönen Schein nicht ganz zu trauen ist.
„Es hört sich an, als sei nichts Negatives zu erwarten. Liest man die Prognose (rund 1.000 Seiten) aber genauer, stellt man fest, dass eine langfristige Akkumulation von Sedimenten und Schadstoffen auch im Bereich der Grimmershörnbucht und dem Cuxhavener Hafen zu erwarten sind“, führte sie unter anderem aus und stellte die Frage, warum von Hinweisen aus einer neun Monate alten Prognose, dass man ungefähr zehn Kilogramm pro Quadratmeter Sediment aus der Verklappung im Bereich des Duhner Watts erwarten könne, plötzlich nichts mehr zu lesen sei. Jetzt laute die Formulierung: Eine Modellierung für das Duhner Watt können wir nicht vornehmen. „Das ist fragwürdig.“

Vor diesem Hintergrund betonte Santjer: „Wir wollen nicht, dass der Hafen­schlick aus Hamburg vor unsere Küste kommt.“ Er ging aber auch einen Schritt auf Hamburg zu. „Wir wollen Hamburg auch nicht hängen lassen. Jetzt stelle sich die Frage, wie wir eine gemeinsame Lösung finden können?“ Ideen seinerseits sind da. So könnte gereinigtes Baggergut etwa für Energieinseln oder den Deichbau genutzt werden.

Schützenhilfe kommt aus der Stadt Hamburg selbst, in Person von Prof. Dr. Götz Wiese, hafenpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, der letzte Woche in einer Pressemitteilung sagte, dass der Senat das Thema Schlick seit mehr als zehn Jahre verschlafen habe. „Nun, in die Ecke getrieben, versucht sich Rot-Grün im Alleingang. Zu Recht hat Hamburg hierfür die Rote Karte gezeigt bekommen. Dabei ist klar: Die Sicherstellung der Schiffbarkeit der Elbe einschließlich der Verbringung des Schlicks ist eine nationale Aufgabe, die zusammen mit unseren Nachbarn gelöst werden muss. Wirtschaftsinteressen in der Deutschen Bucht und Umweltinteressen der norddeutschen Küstenländer machen einen ganzheitlichen Ansatz erforderlich. Eine Schlickkonferenz der Elbanrainer ist daher überfällig: zwischen Hamburg, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und dem Bund.“