Ringelnatz-Preisträgerin Mariana Leky (l.) zeigte sich beim Rundgang mit Museumsleiterin und Jury-Mitglied Erika Fischer begeistert vom Ringelnatz-Museum Foto: tw
LANDKREIS tw ∙ Robert Gernhardt, Wolf Biermann, Nora Gomringer, Hermann van Veen, Sarah Bosetti – die Liste der Ringelnatz-Preisträger ist gespickt mit wohlbekannten Namen. Am Samstag kam ein neuer hinzu – der der Schriftstellerin Mariana Leky, deren Buch „Was man von hier aus sehen kann“ bereits vor acht Jahren zum Lieblingsbuch der unabhängigen Buchhändler gewählt wurde.
Und zu der die Ringelnatz-Preisjury einer Schriftstellerin applaudiert, „die ihre Figuren stets liebevoll begleitet und ihnen eine Bühne für putzmuntere Dialoge, humorvolle Szenen und außergewöhnliche Geständnisse bereitet. Die Sprachkunst der Autorin lässt Texte im großartigen Leky-Sound entstehen.“ Am Samstagabend wurde ihr der Preis in einer feierlichen Zeremonie verliehen.
Doch zur guten Tradition gehört es auch, dass die Preisträger im Vorfeld das Ringelnatz-Museum besuchen, das in diesem Jahr passenderweise in einer Sonderausstellung auf den Ringelnatz-Preis und seine Preisträger zurückblickt. Preisträger, die alle auf einem Weg zur Sonderausstellung mit einem Stern geehrt werden. Zehn Sterne, zu denen sich am Freitagabend der elfte für Mariana Leky dazugesellte, und den sie zusammen mit Museumsleiterin und Jury-Mitglied Erika Fischer, voller Hingabe, aber auch einem leichten Schmunzeln im Gesicht, auf den Boden klebte.
Beim anschließenden Rundgang zeigte sie sich fasziniert von den verschiedenen ausgezeichneten Künstlern. Vor allem der erste Preisträger 2002, Peter Rühmkorf, hat es ihr angetan. „Ich bin eine glühende Verehrerin“. Und auf dem Weg die Treppe hoch zur Sonderausstellung kann sie sich noch gut daran erinnern, wie sie vor über 20 Jahren Rühmkorf persönlich begegnete, als er den Nicolas-Born-Preis des Landes Niedersachsen bekam und sie als Nachwuchsautorin ausgezeichnet wurde. „Wir gingen die Treppe hoch. Da drehte er sich um und fragte: ‚Frau Leky, ist das der Weg nach oben?‘. Das ist doch schon sehr komisch.“
Warum sie auch Ringelnatz und seine Gedichte so gerne mag, verriet sie am Samstagabend bei der Preisverleihung im Stadttheater Cuxhaven.
„Ich bin heiß gerührt.“ Mit diesen Worten nahm Mariana Leky den diesjährigen Joachim-Ringelnatz-Preis für Literatur entgegen. Und fügte hinzu: „Ich freue mich über den Ringelnatz-Preis mehr, als Sie ahnen können.“ Habe doch schon ihre Großmutter den Dichter geliebt. „Eine Liebe, die sie auch bei mir in Gang gesetzt hat. Und es ist schwer vorstellbar, dass sich dieser Liebe noch etwas in den Weg stellt.“ Und hätte sie ihrer inzwischen verstorbenen Großmutter erzählt, dass sie den Ringelnatz-Preis bekommt, hätte diese nur trocken geantwortet: „Das kannst du deiner Großmutter erzählen.“
Diese Liebe zu den Gedichten Ringelnatz‘ half ihr auch schon bei der von ihr gar nicht geliebten Frage von Journalisten, ihre Figuren zu beschreiben. Eine Antwort fiel ihr schwer, denn sie findet, dass man doch die Leser fragen müsste und so holte sie in ihrer Not Ringelnatz mit ins Boot und sagte: „Meine Figuren sind so schief ins Leben gewickelt.“
Gewürdigt wurde Mariana Leky an diesem Abend jedoch nicht als Nachfahrin von Ringelnatz, wie Moderatorin Charlotte Oelschlegel in ihren Begrüßungsworten betonte, sondern „als ein großartiger eigenständiger Beitrag zur Gegenwartsliteratur“.
Laudatorin Bettina Böttinger, die über sich selbst sagt, das Lesen für sie eine große Therapie gegen die Beschleunigung des Lebens ist, ist eine große Verehrerin Lekys. Ihr Roman „Was man von hier aus sehen kann“ war für sie schon einmal „Buch des Jahres“. Und sie schwärmt: „Was für ein wunderbarer Roman. Ein Buch, das Klugheit, Wahrheit, Witz und Skurrilitäten vereint. Das ist Weltklasse-Literatur.“ Und sie erinnerte sich an ihr erstes Treffen, bei dem sie, um Eindruck zu machen, aus ihrer Steiftiersammlung ein Okapi mitbrachte, denn „wenn ich Menschen kennenlerne, habe ich das Bedürfnis, das mich mein Gegenüber mag“. Und zeigte sich jetzt noch gerührt, dass Leky sie einlud, das Okapi jederzeit bei ihr zu besuchen.
„Das Okapi schaut so zusammengestoppelt aus“, habe Leky ihr über ihre Faszination für das Tier erzählt. Ein Tier, das eine wichtige Rolle in ihrem bekanntesten Roman spielt. Und das Okapi sei eine unglaubliche Metapher für Lekys Schreiben wie Böttinger findet. „Denn sie kann die abwegigsten Sachen in einen logischen Zusammenhang bringen. Das macht die Literatur von Leky so einzigartig.“
In der Entwicklung ihrer Figuren spiele auch ihre Kindheit eine Rolle. Ihr Vater arbeitete als Psychologe in einem Gefängnis. Und da ihre Mutter ebenfalls Psychologin war, waren die Geschichten und Probleme der Gefangenen oft Gesprächsthema im Hause Leky. Natürlich nicht vor der Tochter, aber diese hörte öfters heimlich hinter der Tür mit. Dabei sei eines bei ihr hängengeblieben: „Die Menschen haben oft einen Wackelkontakt mit der Realität, und daraus entstehen oft schreiend komische Situationen“. Aus Lekys Worten spreche aber auch große Warmherzigkeit und schiere Menschenfreundlichkeit, findet Böttinger.
Nach der Laudatio musste sich Leky erst einmal „äußerlich und innerlich sammeln“, bevor sie sich mit Charlotte Oelschlegel zu einem kleinen Interview zusammensetzte. „Danke für ganz bezaubernde Worte“, sagte sie gerührt. „Danke Bettina für alles, was du gesagt hast.“ Um gleich darauf ihre erkältungsbedingt angeschlagene Stimme mit Humor zu nehmen. „Entschuldigen Sie die Stimme. Das ist nicht nur Rührung über den Preis, sondern meine Erkältung.“
Dotiert ist der Joachim-Ringelnatz-Preis übrigens mit 10.000 Euro und wird von der Stadtsparkasse Cuxhaven gestiftet. Für deren Vorstand Kai Mangels eine Selbstverständlichkeit. „Wir leben in einer lebenswerten Stadt“, sagte er zum Engagement des Instituts. Und dazu wolle die SSK einen Beitrag leisten. Er betonte zudem die Bedeutung Ringelnatz‘, an dem man sich auch heute noch ein Beispiel nehmen könne: „Er stellte sich nicht in den Vordergrund, er brachte den Mut auf, die Meinung anderer zu akzeptieren und brachte immer eine Prise Humor mit.“
Eine Würdigung erfuhr an diesem Abend auch der Ringelnatz-Schülerpreis, an dem elf Gruppen Cuxhavener Schulen teilgenommen haben – eine Rekordbeteiligung. Der mit 1.000 Euro dotierte Preis – gesponsert von der VGH-Stiftung – ging einen Tag vorher an die „Hort-Lyrik-Gruppe“ des DRK-Horts Franzenburg. Eine Veranstaltung, die auch von Charlotte Oelschlegel moderiert wurde, die sich positiv überrascht von der hohen Qualität der Beiträge zeigte. In einem kleinen Film wurde das Gewinnerprojekt auch am Samstagabend vorgestellt, in dem die Kinder begeistert ihre Arbeiten vorstellten.
Den Abend beschloss Moderatorin Oelschlegel passenderweise mit dem Gedicht „Die Feder“ von Joachim Ringelnatz.
Ein Federchen flog durch das Land; Ein Nilpferd schlummerte im Sand.
Die Feder sprach: „Ich will es wecken!“ Sie liebte, andere zu necken.
Aufs Nilpferd setzte sich die Feder und streichelte sein dickes Leder.
Das Nilpferd sperrte auf den Rachen und musste ungeheuer lachen.
„Und wie die große Feder das Nilpferd wieder zum Leben erweckte, wünsche ich Ihnen, dass die Romane von Mariana Leky auch bei ihnen neue Impulse ins Leben bringen.“