Auch der Schulterblick wurde geübt. Um zu überprüfen, ob die Schüler wirklich richtig gucken, mussten sie die Farbe des Bechers – der erst nach dem vorbeifahren hochgehalten wurde – nennen Foto: tw
BREMERHAVEN tw ∙ Konzentriert fährt Younes mit dem Fahrrad über die Stolperschwelle, dann geht es weiter durch den Slalom-Parcours ohne das ein Hütchen umfällt, dann gilt es eine schmale Wippe zu überfahren bevor er eine – geplante – Vollbremsung hinlegen muss.
Zusammen mit rund 50 anderen Jungen und Mädchen nahm er an einem Fahrradintensivkurs der Verkehrswacht Bremerhaven e.V. und des Bremer Aktionsbündnisses „aber sicher!“ teil, der für einen Teil in der Pestalozzischule und für den anderen in der Allmersschule stattfand.
Was hat es mit dem „toten Winkel“ auf sich?
Ein ganz wichtiger Punkt war es auch, den Kindern zu vermitteln, was es mit dem „toten Winkel“ beim Lkw auf sich hat. Und das auch ganz praktisch. Hierfür wurde extra ein Lastkraftwagen auf den Schulhof gefahren und mit einem Tuch der tote Winkel markiert. Auf diesen stellten sich die Kinder. Im Wechsel setzten sich die Schüler ins Führerhaus und stellten erstaunt fest, dass sie ihre Mitschüler trotz der vielen am Lkw angebrachten Spiegel nicht sehen konnte. „So bekommen sie einen Eindruck davon wie eingeschränkt die Sicht ist“, betonte Ralf Spörhase, Geschäftsführer der Landesverkehrswacht Bremen e.V. und erfahren so, „dass es voll gefährlich ist, neben einem Lkw zu stehen“.
Die Idee zu diesem Fahrradintensivkurs entstand vor drei Jahren. Denn die Zahl der Kinder, die in der 4. Klasse die Fahrradprüfung nicht bestehen, nehme immer weiter zu, so Verena Nölle, Koordinatorin für Mobilitäts- und Verkehrserziehung im Land Bremen. „Teilweise liegt die Quote bei 50 Prozent.“ Das lasse sich in Stadtteilen beobachten, in denen das Fahrradfahren in der Ursprungskultur der Kinder nicht so selbstverständlich sei wie in Bremerhaven, aber inzwischen auch vermehrt in privilegierten Stadtteilen. „Die Kinder haben das Fahrradfahren zuhause nicht oder nicht sicher gelernt.“
Eine Tatsache, die einfach akzeptiert werde und so Probleme verlagere, etwa wenn die Kinder den Weg zur weiterführenden Schule wegen der Entfernung nicht mehr zu Fuß sondern mit dem Rad bewältigen müssten. Das wollten sie und ihre Mitstreiter nicht mehr hinnehmen, und so ging im Juli 2021 der erste Fahrradintensivkurs an den Start.
Nahmen beim ersten Mal nur die durchgefallenen Viertklässler teil, sind inzwischen auch ein paar Schüler der 3. Klasse dabei. Mädchen und Jungen die noch nicht oder nicht gut Fahrradfahren und an den fünf Tagen Wissen und Praxis aufholen können, so dass sie im kommenden Schuljahr bei den Vorbereitungen zur Fahrradprüfung „ihren Mitschülern auf Augenhöhe begegnen können“, so Spörhase.
Ehrenamtliches Engagement der Verkehrswacht
An fünf Tagen lernen die Kinder in Theorie und Praxis nicht nur das sichere Fahrradfahren sondern auch, wie man sich richtig im Straßenverkehr bewegt. Sie lernen Verkehrsschilder und Regeln kennen, und schulen im Praxisteil gleichzeitig ihr Reaktionsvermögen und das vorausschauende Denken.
Das ergänzende Schulungsangebot ist jedoch nur durch das Engagement der ehrenamtlichen Mitglieder der Verkehrswacht möglich, die den Fahrradintensivkurs durchführen und begleiten. Das schließe aber auch die engagierten Schulleiter und Lehrer mit ein, sagte Jörg Schulz, Vorsitzender der Bürgerstiftung Bremerhaven, die das Projekt zusammen mit der GCD Glomb Container Dienst GmbH und der Rübeling Dental-Labor GmbH finanziell unterstützt.
„Die Kinder fühlen sich hier sicher und das überträgt sich auch aufs Fahrradfahren“
„Die Beziehung zu den Eltern ist für uns ganz wichtig“, sagt Karina Becker, Schulleiterin der Pestalozzischule, für die an erster Stelle steht, die ganzheitliche Entwicklung der Schüler zu unterstützen. Und durch diese enge Beziehung kämen die Kinder auch gerne in den Ferien zum Intensivkurs. „Die Kinder fühlen sich hier sicher und das überträgt sich auch aufs Fahrradfahren.“ Mit positivem Ergebnis.
„Manche Kinder können am ersten Tag noch gar nicht fahren“, sagte Spörhase, „und jetzt fahren sie alle schon recht sicher und können gestärkt aus der Maßnahme herausgehen“. Und das wichtigste: „Alle sind mit Lust und Laune dabei“.