Auf Tour durch Niedersachsen v.l.: Khalid Alaboud, Julia und Cornelia Gerlach, Tamriko Shoshyashvili, Aora Helmzadeh und Abdolrahman Omaren    Foto: tw

BREMERHAVEN tw ∙ Über Geflüchtete schreiben, tun viele. Das Team der Nachrichtenplattform „Amal!“ schreibt für Geflüchtete. Nach dem Motto: „Nur wer weiß, was passiert, kann sich beteiligen und mitreden!” berichten 25 geflüchtete Journalisten in Berlin, Hamburg und Frankfurt über die Themen vor Ort. Und das auf Arabisch, Dari/Farsi und Ukrainisch. Der klassische Lokaljournalismus steht im Vordergrund, ergänzt durch Reportagen, Interviews und Kommentare, erklärt die Journalistin Julia Gerlach, die das Projekt 2015 mit ihrer Schwester Cornelia, ebenfalls Journalistin, gegründet hat, bei einem Pressegespräch in Bremerhaven.

„Amal heißt Hoffnung“

„Wir geben den Menschen die Chance, sich über ihre neue Stadt zu informieren“, sagt Khalid Alaboud. Der gebürtige Syrer war in seiner Heimat als Journalist und Redakteur tätig. 2014 kam er nach Berlin. Und als Journalist in einem Land zu arbeiten, dessen Sprache man nicht perfekt beherrscht, fast unmöglich. Deshalb freute er sich umso mehr, dass er bei „Amal, Berlin!“ die Möglichkeit bekam in seinem Beruf zu arbeiten – und das in seiner Muttersprache. „Amal heißt Hoffnung. Und diese Hoffnung wurde für mich Realität.“ Und ist auch ein Zeichen der Hoffnung für die Menschen die auf ihrer Flucht nach Deutschland kommen, „denn wenn die Menschen nicht wissen, was in ihrer Stadt passiert, haben sie auch keine Möglichkeit am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen und damit auch keine Möglichkeit sich zu integrieren.“

„Die Menschen wollen wissen, was hier passiert“, bestätigt Abdolrahman Omaren, der in Dubai als Journalist für Zeitung und Fernsehen gearbeitet hat, „und ein gutes Gespür dafür hat, was die Leute lesen wollen“, so Julia Gerlach. Sieben Jahre lang arbeitete sie als Korres­pondentin aus Kairo. 2015 kam sie nach Deutschland zurück, zeitgleich mit vielen Syrern die aus ihrer Heimat flüchteten. Darunter auch Journalisten. Zusammen mit ihrer Schwester Corne­lia Gerlach, die auch als Dozentin für Storytelling und Reportage tätig ist, entstand die Idee zu „Amal!“. Mit einem doppelten positiven Effekt: beiden Seiten – den Journalisten wie den Lesern – die Möglichkeit zu geben, sich zu beteiligen und am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben.

Ihre Arbeit helfe nicht nur, sich besser zu integrieren, sondern auch mehr übereinander zu erfahren, so Tamriko Shoshyashvili. „Es ist super interessant zusammenzufinden, und Themen für unterschiedliche Zielgruppen zu schreiben“, sagt die ukrainische Journalistin über ihre Arbeit.

Die Nachrichtenplattform, die als lokale Tageszeitung für das Smartphone ihre Leser erreicht, wird auch außerhalb von Berlin, Hamburg und Frankfurt gelesen.
Letzte Woche haben sich zehn Journalisten von „Amal!“ in Kooperation mit der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannover auf Tour durch Niedersachsen begeben und dabei auch einen Abstecher nach Bremerhaven – unter anderem in das Deutsche Auswandererhaus – gemacht. Der Hintergrund: Die meisten Geflüchteten wollen in Großstädten wie in Berlin, Hamburg oder Köln leben. Doch die wenigsten können sich den Wohnort aussuchen. „Und wir wollten der Frage nachgehen, wie es sich außerhalb der Großstadt für Geflüchtete lebt.“ Hierfür haben sie verschiedene Projekt und Initiativen besucht, die vor Ort den Neuanfang erleichtern und Integration ermöglichen, aber auch einfach vor Ort Menschen angesprochen und nach ihren Erfahrungen befragt. Das Resultat nach drei Tagen: „Es gab viele Aha-Effekte, eine echte Entdeckungsreise.“ So hat das Team einen ukrainischen Verein entdeckt, von dem sie so begeistert waren, dass sie sich fragten, „warum haben wir so etwas nicht in Berlin?“. Oder in Hannover eine der größten iranischen Bibliotheken in Deutschland, „das war sehr inspirierend“, berichtete die iranische Journalistin Aora Helmzadeh.

Zum Abschluss des Gesprächs hat Khalid Alaboud noch einen Wunsch: „Bitte sprecht nicht über uns, sondern mit uns.“

Mit dem #Netzwende­-Award ausgezeichnet

„Amal!“ ist ein digitales Angebot des Gemeinschaftswerks der Evangelischen Publizistik und wird von der Crespo Foundation, der Körber-Stiftung, der Schöpflin Stiftung, mehreren Landeskirchen und anderen finanziert. Es wurde 2021 mit dem #Netzwende-Award, dem Medienpreis für nachhaltige Innovation im Journalismus, ausgezeichnet und 2017 als „Ausgezeichneter Ort im Land der Ideen“ prämiert. Zu finden ist das Nachrichtenportal unter www.amalberlin.de und auf Deutsch unter www.amalberlin.de/de sowie auf Facebook und Instagram.