Mindestens zwei Tage benötigt Erhard Djuren, um einen kompletten Spann (Hövke und Leitkorb) herzustellen – die Reusenkörbe halten meistens nur eine Saison: Henning Siats, 1. Vorsitzender vom Wremer Heimatkreis ’85 freut sich über das rege Interesse der Besucher      Foto: jt

WREMEN jt ∙ Herzstück des Museums für Wattenfischerei ist das Diorama im Erdgeschoss. Dort begegnet man auch dem alten Granatfischer und seinem Arbeitsgerät, der Reuse. Ein Leben lang fuhr er, wenn das Watt eisfrei war (von April bis November) Tag für Tag mit seinem Hundeschlitten hinaus zu seinen rund 80 Reusen. In der besten Jahreszeit, im Herbst, fing er täglich bis zu fünf Zentner Granat. Etwa zwei Zentner davon waren „Dicke“, das heißt Speisegranat, die ihm und seiner Familie das Leben sicherten.

Das Wattenmeer ist nicht nur Lebensraum für Tiere und Pflanzen, sondern seit 2.000 Jahren auch Nahrungsraum für den Menschen, der hinter dem Deich siedelt. Spätestens seit dem 17. Jahrhundert fangen Fischer Krabben im Wattenmeer. Die Tiere sind eine der wenigen Kaltwassergarne­lenarten, die wirtschaftlich bedeutend sind. Krabbenfischerei war schon immer ein Glücksspiel. Das Beutetier Crangon crangon: unberechenbar. Trotz jahrhundertealter Tradition weiß bis heute kein Fischer vor der Ausfahrt, wo sich die Krebstiere genau aufhalten; sie lassen sich nicht orten. Erfahrung und Bauchgefühl sind gefragt.

Wie es den Krabben an Kopf und Kragen geht, um an ihr zartes Inneres zu gelangen, erfährt man im Museum für Wattenfischerei. Vor allem aber, dass die Krabbenfischerei bis heute eine harte Art von Broterwerb ist. Seit Generationen sicherte das „rote Gold der Nordsee“ den Lebensunterhalt der Menschen hinter dem Deich. Natürlich wird auch das Krabbenschälen gestern und heute beleuchtet und gezeigt, wie man an das Fleisch der begehrten Schalentiere gelangt. Ob mit der Krabbenschälmaschine oder per Hand – auf das Ergebnis kommt es an. Unter den Bewohnerinnen Wremens sind zwei mehrfache Meisterinnen im Krabbenpulen: Janka Peters und ihre Schwägerin Marita. Sie sind so leidenschaftlich dabei, dass man gar nicht merkt, wie mühselig diese Pulerei ist.

Ebenso mühselig war die Arbeit des Buttfischers. Sein Arbeitsgerät war die Sperr- oder Buttlade. Mit diesem Fanggerät gingen die Männer zum Buttfischen hinaus ins Watt. Gegen den Ebbe- oder Flutstrom schoben sie die Buttlade im hüfttiefen Wasser über den Boden. Der so vom Grund aufgeschreckte Butt schnellte vorwärts und damit oftmals ins Netz. Häufiger stellten die Männer ihre Buttladen in den Prielen auf und sperrten so mit ihren Netzen den mit Strom ziehenden Fischen den Weg. Fänge bis 15 Kilo waren keine Seltenheit.

Auf der Wremer Museumsinsel mitten im Ort, hat das Museum für Wattenfischerei seinen Platz gefunden. Etwa 200 Jahre alt ist das ehemals reetgedeckte kleine Bauernhaus, in dem das maritime Kleinod untergebracht ist. 1988 stellte die Gemeinde Wremen dem Heimatkreis das Haus unentgeltlich zur Verfügung. Ab 1990 wurde der Bau durch die Mitglieder des Heimatkreises und durch großzügige Spenden von Sponsoren realisiert. Auf ein neues Reetdach musste aus Kostengründen verzichtet werden. 1991 wurde das Museum eingeweiht. Nur hereinspaziert! Die gute Stube wartet nicht nur auf Besucher, sondern auch Brautpaare können sich hier das Ja-Wort geben.

Das Museum zeigt zwar die Arbeit von früher, aber mit den modernen Mitteln von heute: Spiele mit Frage- und Antwort, die nicht nur den Kindern Spaß machen, sondern auch den Ehrgeiz der Großen herausfordern. Zum Leben erweckt wird die Welt der Krabbenfischer auch durch eine Reihe von Filmen, die nach Wunsch per Fingertipp gestartet werden können. „Der Krabbenfischer“ zeigt Originalaufnahmen des letzten Reusenfischers Erhard Djuren mit seinem Hundeschlitten. „Lütt Leben“ ist ein Film der Deutschen Wochenschau von 1958 über das harte Leben der Fischer in früheren Zeiten. Auch die Überführung des Krabbenkutters ‚Koralle‘ zum Museum wurde für die Nachwelt dokumentiert. Über die Lage der Krabbenfischer im Jahr 2020 und ihre Perspektiven für die Zukunft klärt der Film „Mit den Gezeiten“ auf.

Der Besuch lohnt sich immer, denn es gibt noch vieles mehr zu entdecken. Ohne die ehrenamtliche Arbeit der Mitglieder vom Wremer Heimatkreis ’85 e.V. gäbe es das Museum nicht. Der Verein ist alleiniger Träger des Museums für Wattenfischerei. Es wurde von den Mitgliedern in eigener Leistung erbaut sowie liebevoll eingerichtet. „25  Wremer, der Älteste wird 93 Jahre alt, kümmern sich um das Museum“, erzählt Henning Siats, der nach seiner Pensionierung als Lehrer vor neun Jahren den Vorsitz übernommen hat. „Bei uns bekommen die Besucher einen Einblick in die unvergleichliche Landschaft des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer“.