Durch den Selbstversuch wurde Axel Schneider bewusst, was es heißt im Rollstuhl zu sitzen und sich scheinbar kleine Hindernisse als zum Teil unüberwindbare Hürden herausstellen Foto: tw
CUXHAVEN tw ∙ „Ich hätte nie gedacht, dass das so schwer ist“, so Axel Schneider, Direktor des Havenhostels, hat er sich doch immer für einen kräftigen Mann gehalten. „Aber das geht so in die Arme, da wird schon die kleinste Steigung zum Problem.“ Seit anderthalb Wochen sitzt er – freiwillig – im Rollstuhl. Auslöser war ein Anruf von Luke Kelly, mit dem er befreundet ist und der ihn fragte, ob er Interesse hätte bei der „24h Inklusions Challenge“ – die am 21. und 22. November in Köln im Rahmen des RTL-Spendenmarathons stattfindet -, im Team „Kelly & Friends“ teilzunehmen. Ein Angebot, zu dem er nicht nein sagen konnte. Fand er es doch spannend, bei einem Event dabei zu sein, bei dem Menschen mit und ohne Behinderungen im Rollstuhl einen 250 Meter langen Parcours mit verschiedenen Hindernissen bewältigen müssen. Denn Bordsteinkanten, Gullideckel, ein Kiesweg oder Kopfsteinpflaster sind tägliche Alltagsprobleme für Rollstuhlfahrer, die ihr Leben schwerer machen als es sein müsste.
Was als Training für die Challenge begann, wurde so für Axel Schneider auch zu einem Selbstversuch, der ihm die Augen öffnete vor welchen Hürden und Hindernissen Menschen im Rollstuhl stehen. „Hut ab, vor den Menschen, die das tagtäglich machen müssen“, sagte er im Gespräch mit dem Elbe Weser Kurier.
Eine Erkenntnis, die er auch in den Rat der Stadt Cuxhaven mitnehmen will, wo er für die Partei „Die Demokraten“ einen Sitz innehat. „Ich wünsche mir eine ‚Rat-Tour‘ der anderen Art“, sagt er. Und meint damit, dass einmal alle Ratsmitglieder für eine Stunde mit dem Rollstuhl Cuxhaven erfahren, „um ein Gefühl dafür zu bekommen, was es für Menschen mit Behinderungen heißt im Rollstuhl zu sitzen“. Ein Szenario, dass er sich vor allem gut vorstellen kann, wenn es etwa darum geht, bei Infrastrukturprojekten Entscheidungen zu fällen.
Was auch Christine Wagner, Vorsitzende des Beirats für Menschen mit Behinderungen für eine gute Idee hält. Als sie von dem Selbstversuch von Axel Schneider hörte, war ihrer erster Gedanke gleich: „Was für eine schöne Idee.“ Und hat ihn auch zu einigen brenzligen Stellen geschickt. Denn sie selbst ist auf den Rollstuhl angewiesen, und weiß, welche Gefahren im alltäglichen Leben lauern. Da reicht schon ein kleiner Bordstein mit nachfolgender Wasserrinne oder Kopfsteinpflaster, wo sich schnell mal ein Rad verhaken kann, und man liegt auf der Straße. Und kann dann nur hoffen, dass Hilfe in der Nähe ist.
Sie findet es daher schade, dass der Beirat für Menschen mit Behinderungen nur beratende Funktion hat und fragt: „Warum müssen wir immer noch kämpfen?“ Und das obwohl vor 15 Jahren auch Deutschland die UN-Behindertenrechtskonvention in Kraft gesetzt hat. Der erste internationale Vertrag, der die allgemeinen Menschenrechte aus der Perspektive von Menschen mit Behinderungen betrachtet. Und der die Vertragsstaaten dazu verpflicht, ihren Bürgern mit Behinderung die Menschenrechte in vollem Umfang zu gewähren.
Was Wagner noch lange nicht gewährleistet sieht. Ein Perspektivwechsel sei deshalb nur zu Begrüßen. „Denn ob ich etwas über meine Erfahrungen erzähle oder jemand selbst erfährt, was es heißt im Rollstuhl zu sitzen, ist etwas ganz anderes“, betont sie. Dabei weiß sie, dass von Seiten der Verwaltung auch gute Vorschläge kommen. Die Pläne für den barrierefreien Ausbau der Wilhelm-Heidsiek-Straße seien sehr gut gewesen im Hinblick auf Menschen mit Behinderung, in der darauffolgenden Diskussion um das Kopfsteinpflaster seien deren Interessen und Bedürfnisse jedoch nicht wahrgenommen worden. Mit der Folge, dass der Entwurf nicht umgesetzt wird.
Obwohl ein barrierefreier Ausbau für alle Vorteile bringe. Wobei sie auf einen wichtigen Unterschied hinweist. „Was Komfort für alle bedeutet, ist für Menschen mit Behinderungen zwingende Notwendig.“
Axel Schneider hofft, dass die „24h Inklusions Challenge“ ein Schlaglicht auf die Bedeutung von Barrierefreiheit wirft. Am 21. November um 18 Uhr geht es los. Dabei wollen die Teilnehmer auch versuchen den Weltrekord für die weiteste Team-Distanz beim Rollstuhl-Parcour (24 Stunden Staffel) aufzustellen. Die dabei gesammelten Spenden gehen an Inklusionsprojekte für Kinder.