Cassandra Hoffmann und Alexander Hueck zeichneten mit Musik und Texten das Leben Mascha Kalékos nach Foto: tw
CUXHAVEN tw ∙ „Es sprach zum Mister Goodwill ein deutscher Emigrant: ‚gewiss, es bleibt dasselbe, sag ich nun land statt Land, sag ich für Heimat homeland und poem für Gedicht. Gewiss bin ich sehr happy: Doch glücklich bin ich nicht.‘“ In ihrem Gedicht „Der kleine Unterschied“ zeigt sich deutlich, wie verloren sich die in den 1930er-Jahren gefeierte Dichterin Mascha Kaléko nach ihrer erzwungenen Emigration in die USA gefühlt haben muss.
Bei einem Abend über das Leben und Werk Kalékos im Schloss Ritzebüttel brachte das „Theater Poetenpack“ am Sonntag die Gedichte Kalékos in ein Zusammenspiel mit Liedern von Kurt Weill.
„Zwei Sterne, die am Himmel leuchten, jüdische Sterne. Zwei Künstler, die parallel ins unbekannte gegangen sind, ohne sich je begegnet zu sein“, zeichnete Schauspieler Andreas Hueck das gleiche Schicksal der beiden Künstler nach, die aufgrund ihres jüdischseins Deutschland verlassen mussten. Ausdrucksstark und voller Emotionen zog er mit Kalékos Gedichten über Liebe, Abschied und Einsamkeit, aber auch finanzielle Nöte, das Publikum in seinen Bann. Und malte so mit Worten ein Porträt der Dichterin.
Gedichte von Sehnsucht und Traurigkeit, durchsetzt mit heiterer Melancholie, Ironie und Sarkasmus. Gedichte, die noch heute aktuell wirken, wie etwa in „Großstadtliebe“, das mit den Zeilen „Hat man genug von Weekendfahrt und Küssen, läßt mans einander durch die Reichspost wissen. Per Stenographenschrift ein Wörtchen: ‚aus‘!“. Wenn man jetzt die Reichspost und die Stenographenschrift durch Smartphone und SMS ersetzt…
Als musikalischer Counterpart entführte die Sängerin Cassandra Hoffmann – begleitet am Klavier von Markus Zugehör – ebenso emotional mit Stücken von Kurt Weill das Publikum in die damalige Zeit. Durch das perfekte Zusammenspiel von Musik und Text begeisterten die drei das Publikum.
Veranstaltet wurde der Abend von der Regionalen Arbeitsgruppe des Vereins „Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V.“. Mit dem Mascha Kaléko-Abend wollte sie, ebenso wie mit den anderen Veranstaltungen des Jahresprogramms, deutlich machen, was es heißt, wenn Demokratie, Freiheit und Menschenrechte verschwinden.
Gerade in der heutigen Zeit „brauchen wir Zuversicht und Vertrauen“, findet Rüdiger Pawlowski, zusammen mit Gabriele Hoffmann Sprecher der Regionalen Arbeitsgruppe (RAG) „Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V.“. „Und wir müssen uns wieder unserer demokratischen Grundwerte bewusst werden.“ Deshalb werden die Mitglieder am Samstag, 24. Mai, auch in diesem Jahr wieder das Grundgesetz auf dem Wochenmarkt verteilen und hoffen dabei auch mit den Menschen ins Gespräch zu kommen.
Ein Tag, der Zuversicht weckte, war bereits der 28. Januar beim Tag der Demokratie in der BBS Cuxhaven. Hier war die Arbeitsgruppe mit einem Stand vertreten und zog das Interesse der Schüler auf sich. „Die Gespräche dort waren sehr beeindruckend“, so Pawlowski. Und erfolgreich. Denn durch die Gespräche erfuhren die Schüler auch vom Dokumentarfilm „Die Arier“ von Mo Asumang, der auf so großes Interesse stieß, dass aus der geplanten Schülervorstellung am Vormittag des 14. Februars zwei wurden. Und auch bei der öffentlichen Vorführung einen Abend zuvor im Bali-Kino war eine Schulklasse aus Otterndorf dabei.
„Das zeigt, wie wichtig die persönliche Begegnung ist und die Möglichkeit, Fragen zu stellen“, so Pawlowski. Die Möglichkeiten Fragen zu stellen, nutzten die Schüler auch bei den Filmvorführungen mit Filmemacherin und Moderatorin Mo Asumang, die persönlich vor Ort war, um ihren Dokumentarfilm vorzustellen. „Es war toll die Gespräche zu erleben“, so Hoffmann. Ein Abend, der auch den Wert von Zivilcourage deutlich gemacht habe, waren die Schüler doch vor allem auch vom Mut begeistert, den Asumang für ihren Film an den Tag legte; suchte sie für ihren Film doch auch das direkte Gespräch mit Nazis.
Zwei Veranstaltungen, die zeigen, dass man mit der Form der Kunst Themen, die nicht einfach sind, den Menschen nahebringen kann. Auch für den weiteren Verlauf des Jahres hat die regionale Arbeitsgruppe ein beeindruckendes Programm auf die Beine gestellt, das den Wert von Demokratie und Freiheit verdeutlicht.
Am Sonntag, 25. Mai, findet um 11 Uhr im Stadttheater Cuxhaven 80 Jahre nach Kriegsende eine musikalische Lesung mit dem Titel „Dass ein gutes Deutschland blühe …“ statt. In der Matinée gehen der Schauspieler Roman Knižka und das Ensemble „Opus 45“ dem Leben in den vier Jahren nach Kriegsende nach, einer ambivalenten und spannungsreichen Übergangszeit zwischen Zerstörung und Neubeginn. Eine Zeit, die mit der Gründung zweier deutscher Staaten endet und der die Teilung Deutschlands folgte. Mit Folgen, die heute noch spürbar seien.
Neben der Auseinandersetzung mit den nationalsozialistischen Verbrechen stehen deshalb auch das Unrecht des SED-Regimes und die verschiedenen Formen des politischen Extremismus im Mittelpunkt des Vereins. Themen, die sich auch im weiteren Programm niederschlagen.
So liest am 15. September Claudia Wenzel um 19.30 Uhr in der Stadtbibliothek Cuxhaven aus ihrem Buch „Mein Herz ließ sich nicht teilen – Leben in der DDR“. Zum 35. Jahrestag der Deutschen Einheit, wirft die Schauspielerin einen emotionalen und kritischen Blick auf ihr Leben in der DDR und das wiedervereinigte Deutschland.
Am 28. September um 19.30 Uhr und am 29. September um 11 Uhr (eine öffentliche und eine Schülervorstellung) ist der Schauspieler Sabin Tambrea zu Gast am Stadttheater Cuxhaven. Er liest aus seinem zweiten Buch „Vaterländer“. Darin reist er zurück in die Vergangenheit seiner rumänisch-ungarischen Familie, erzählt von der Ohnmacht einem gnadenlosen politischen System gegenüber, von Entbehrungen und Neuanfängen. „Ein Buch, das den Wert von Freiheit und demokratischen Werten deutlich macht“, so Hoffmann.
Seinen Abschluss findet das Programm in einer gemeinsamen Veranstaltung der Kulturabteilung der Stadt Cuxhaven. Am 7. November ist der Ehrenvorsitzende von „Gegen Vergessen – Für Demokratie“ Joachim Gauck, Bundespräsident a.D., um 20 Uhr im Stadttheater Cuxhaven und liest aus seinem Buch „Erschütterungen“. Ein Buch, in dem er gemeinsam mit Co-Autorin Helga Hirsch der Frage nachgeht, was unsere liberale Demokratie von innen und außen bedroht.
Karten für die Veranstaltungen sind in der Kulturinformation im Schlossgarten unter (04721) 62 2 13 sowie unter www.cuxhaven.de/tickets erhältlich.