Ernie, Bert und Co. feiern ihren 50. Geburtstag in Deutschland und das Museum für Kunst und Gewerbe feiert das mit einer Ausstellung, die morgen eröffnet wird Foto: Sesame Workshop
HAMBURG ao ∙ Was 1969 mit der „Sesame Street“ im US-Fernsehen nach einer Idee von Joan Ganz Cooney und Lloyd Morrisett begann, kam auch bald über den Atlantik. Zunächst wurden 1972 in den Dritten Fernsehprogrammen in Deutschland testweise einige US-Folgen im Originalton gezeigt. Mit Erfolg. Denn bereits am 8. Januar 1973 wurde unter der Regie des NDR und in Kooperation mit Sesame Workshop erstmals die deutsche Adaption „Sesamstraße“ ausgestrahlt.
Seitdem wurden über 2.900 Folgen der Sendung mit den Puppen von Jim Henson im deutschen Fernsehen gesendet. Hinzu kamen Specials, Filme und Spin-offs wie das erfolgreiche Format „Eine Möhre für Zwei“ (seit 2010). Seit 1978 entstehen in Hamburg eigenständige Rahmengeschichten des humorvollen Magazinformats mit deutschen Puppen, wie Samson und Tiffy, der Schnecke Finchen, der neugierigen Feli Filu oder dem Comedy-Duo Wolle und Pferd. Unterstützt wurden und werden sie von Schauspielern wie Dirk Bach, Gernot Endemann, Manfred Krug, Liselotte „Lilo“ Pulver, Julia Stinshoff und Henning Venske sowie zahlreichen Gaststars.
Anlässlich des 50. Jubiläums der Sesamstraße zeigt das Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg (MK&G) vom 7. Mai bis zum 7. Januar 2024 eine große Sonderausstellung mit dem Titel „Sesamstraße. 50 Jahre Wer, Wie, Was!“. Die Besucher tauchen auf 700 Quadratmetern in die unterhaltsame Welt von Ernie und Bert, Elmo und dem Krümelmonster ein und blicken hinter die Kulissen des erfolgreichen Fernsehformats. Die in Kooperation mit dem NDR entstandene Ausstellung richtet erstmals den Fokus auf die Gestaltung und handwerkliche Produktion der legendären Sendung und fragt danach, wie die Puppen, Kulissen, Kostüme, Requisiten und Musikstücke entwickelt werden und wer die kreativen Köpfe und geschickten Hände hinter den fantasievollen Figuren, Trickfilmen und Schauplätzen sind.
Noch nie waren so viele Originalpuppen der Sesamstraße in Deutschland zu sehen: Die Ausstellung versammelt 16 Figuren, dazu gehören neben den bekannten Superstars Ernie und Bert, Elmo und dem Krümelmonster auch Bibo, Abby Cadabby und die lange verschollenen Charaktere Rumpel, Tiffy und Herr von Bödefeld.
„Die Sesamstraße hat vor 50 Jahren die Neugier auf die Welt in all ihren Facetten in die Kinderzimmer gebracht. Zugleich gibt die Sesamstraße Kindern eine Stimme und hat unsere Gesellschaft verändert. Kann ein Krümelmonster unseren Kindern Dinge beibringen, dürfen Männer offen zusammenleben, passen Fernsehen und Pädagogik überhaupt zusammen? All dies war vor 50 Jahren umstritten und ist heute zum Glück völlig normal. Die Ausstellung ‚Sesamstraße. 50 Jahre Wer, Wie, Was!‘ führt uns auch hinter die Kulissen der Sesamstraße und fragt, wie die Puppen oder Kostüme entwickelt wurden und welche Kreativköpfe daran eigentlich beteiligt waren. Es gibt also ‚1.000 tolle Sachen‘ für Groß und Klein zu entdecken“, sagt Dr. Carsten Brosda, Senator für Kultur und Medien der Hansestadt Hamburg.
Tulga Beyerle, Direktorin des MK&G, ergänzt: „Die Ausstellung stellt erstmals Fragen nach der Gestaltung der Sesamstraße. Dabei kommen insbesondere die Macher zu Wort und liefern spannende Einblicke in die Produktion des einzigartigen Unterhaltungsformats. Als kollektives Kulturgut spiegelt die ‚Sesamstraße‘ auch den gesellschaftlichen Wandel wider. Die innovative Haltung der Produzenten begeistert mich, sie ist bis heute ein inspirierender Gestaltungsansatz für eine offene und tolerante Gesellschaft.“
Neben den originalen Figuren und Filmsets der Sesamstraße sowie Raritäten aus Privatbesitz werden die sympathischen Charaktere in Audiospuren mit Originalstimmen aus verschiedenen Zeiten lebendig; an der Puppenbaustation können Kinder eine individuelle Figur kreieren und Selfies machen; eine Videojukebox spielt 20 Sesamstraßen-Lieder – von Diskohits aus den 1970er Jahren bis zu aktuellen Popsongs. Weitere interaktive Stationen laden die ganze Familie zum Mitmachen ein.
An die Sesamstraße sind über Generationen hinweg prägende Erinnerungen geknüpft. In den 1970er Jahren revolutionierte die deutsche Fassung das Kinderfernsehen mit einem pädagogischen Programm, das soziales Lernen, Kreativität und Selbstbewusstsein förderte. Die Gäste werden in der Ausstellung viele charakteristische Gesichter, einprägsame Geschichten und bekannte Melodien wiederentdecken. Die einzigartige Kindersendung hat sich im Laufe der Zeit natürlich auch verändert: Ensembles, Produktionsmethoden, Konzepte und Vermittlungsansätze wurden über fünf Jahrzehnte immer wieder an den aktuellen Zeitgeist angepasst.
Neun Ausstellungsbereiche nehmen die kreativen Schwerpunkte der Sesamstraße in den Blick: Unter der Überschrift Die frühen Jahre wird das breite Spektrum des TV-Formats im Kontext der 1970er Jahre präsentiert. Im Kapitel Puppenbau und Puppenspiel werden verschiedene Charaktere und Figurentypen vorgestellt und Identifikations- und Deutungsmöglichkeiten eröffnet. Samson, Tiffy und Herr von Bödefeld kommen hier zusammen. Dass die Kostümbildner wahre Verwandlungskünstler sind, zeigt das Kapitel Kostüm. Fantasievolle Outfits für Dirk Bach und Anke Engelke werden ebenso präsentiert wie die Fee Abby Cadabby als Ritterin. Wie ein Roboterpferd aussieht, wie viele Kronkorken Bert in seiner Sammlung hat, und wie Griesgram Rumpels Tonne von innen wirkt, kann man im Bereich Requisite entdecken. Der Themenbereich Kulisse verdeutlicht, wie ein Sesamstraßen-Set vom Grundriss bis zur Einrichtung der Requisiten gestaltet wird. Zu sehen sind das berühmte Schlafzimmer von Ernie und Bert sowie Elmos Spielhaus. Im Kapitel Musik werden die Hintergründe einzelner Kompositionen aufgefächert, Tonträger aus fünf Jahrzehnten zeigen die Bandbreite der Sesamstraßen-Ohrwürmer wie „Der, die, das“. Die Sendung ist bekannt für unterhaltsame und professionelle Trickfilme. Die Knetfiguren Plonsters, die Erfinderin Susi Schraube und das chaotische Duo Wisch & Mop sind mit ihrer handgemachten Ästhetik und vertrauten Materialien dicht an den Basteltischen der Kinder. Wie das Vorschulformat auch ernste Themen wie der Umgang mit dem Tod erzählerisch meistert, erfährt man im Kapitel Geschichten erzählen. Zum Abschluss zeigt die Ausstellung künstlerische Auftragsarbeiten renommierter Illustratoren wie Arne Bellstorf, Sheree Domingo, Aisha Franz, Anna Haifisch, Sascha Hommer und Mirko Röper.