OTTERNDORF tw ∙ Ein Ständchen auf Johann-Heinrich Voß. Mit Liedern, vorgetragen von Sopranistin Regina Bolten und Wolfgang von Schwerin an der Gitarre (Foto: tw), einer Lesung, Kaffee und Ernestines Kirschkuchen wurde am Sonntag der 272. Geburtstag des Literaten gefeiert.

Ungewöhnlich ist es für einen Bürgermeister nicht, zu einem Geburtstag eingeladen zu werden. Doch so viele Besucher wie am Sonntag beim Voß-Geburtstag trifft Claus Johannßen eher selten an. „Man muss nur richtig alt werden, dann kommen auch ganz viele“, meinte er augenzwinkernd.

Kultur, Kaffee und Kuchen, schöne Gespräche

Die vollbesetzte Galerie im Voß-Haus hatte aber auch noch einen anderen Grund. Wenn die Stadt Otterndorf und die Johann-Heinrich Voß-Gesellschaft zum Geburtstag des berühmten ehemaligen Bewohners des Nordseebades einladen, können sich die Besucher immer auf einen interessanten Nachmittag mit „Kultur, Kaffee, Kuchen und schönen Gesprächen freuen“, so der frühere Kulturausschussvorsitzende und Voß-Kenner Hans-Volker Feldmann.

Zum 272. Geburtstag des Dichters und Übersetzers Voß nahmen Silke Gehring, Vorsitzende der Voß-Gesellschaft als Ernestine Voß, ihr Stellvertreter Martin Grieger als Erzähler sowie Frank Baudach, ehemaliger Leiter der Eutiner Landesbibliothek und Ideengeber für das Otterndorfer Voß-Museums, als Johann-Heinrich Voß, die Besucher mit auf eine „Hochzeitsreise nach Mecklenburg“.

Die Gäste lernten dabei auch Voß‘ Eltern und die Verwandtschaft seiner Ehefrau Ernestine Voß, geborene Boie näher kennen. Dabei macht Ernestines Mutter am Anfang den beiden Liebenden das Leben schwer, war sie doch gegen eine Heirat, solange Voß kein geeignetes Amt vorweisen konnte. Dass er von ihrem Sohn Heinrich Christian Boie die Herausgabe des Göttinger Musenalmanachs – den Boie auch gründete – übernahm, reichte ihr nicht. Da beide nicht ohne die Einwilligung der Mutter heiraten wollten, entschloss sich ihre Tochter – die nur einen Mann wollte, den sie „herzlich liebt oder gar keinen“ -, zu einem für die damalige Zeit drastischen Schritt. Ernestine teilte ihr per Brief mit, dass sie, wenn sie Voß nicht heiraten dürfe, selbst bei Fremden ihren Unterhalt verdienen müsse. Und ihrer Mutter indirekt damit drohte, dass diese sie nie wiedersehen würde. Und siehe da, ihre Mutter lenkte ein. Aller Schwierigkeiten behoben wurde innerhalb von 14 Tagen geheiratet.

„Es scheint als ob Ernes­tine so viel Beifall findet, wie sie verdient“

Nach der Hochzeit be­gab sich das Ehepaar nach Wandsbek, wo Voß wohnte. Zur Ruhe kam das junge Paar dort jedoch nicht, kamen doch viele Bekannte zu Besuch, denn die Neugierde auf die junge Ehefrau war groß. „Es scheint als ob Ernestine so viel Beifall findet, wie sie verdient“, berichtete Voß ihn einem Brief. Im Herbst des Jahres 1777 starteten sie dann zu einer beschwerlichen Hochzeitsreise von Wandsbeck aus nach Meck­lenburg, die Heimat von Johann-Heinrich Voß. Mit dem Ziel Penzlin zu Voß‘ Eltern, „unseren lieben Alten“. Kennzeichneten Krankheit, Sturm und andere Widrigkeiten – „die bösen Mäuse haben meinen Unterrock verzehrt“ – die Hinreise, berichtete Ernestine für die Rückfahrt von einer „sehr guten Reise, gutem Fuhrmann, guten Pferden und schönem Wetter“.

Bereits im Jahre darauf, 1778, bekam Voß die Rektorstelle an der Lateinschule in Otterndorf. Hier vollendete er auch die Odyssee-Übersetzung in deutschen Hexametern, der noch heute aktuellen Übersetzung. Und hier machten sie viele weitere Erfahrungen, „doch das ist eine ganz andere Geschichte“, beendete Grieger die Lesung.

Zum Anfang und Ende setzte Regina Bolten zusammen mit Wolfgang von Schwerin musikalische Akzente mit vertonten Gedichten von Voß. Bei Kaffee, Ernestines Kirschkuchen und Gesprächen klang der Nachmittag dann langsam aus.