Maria Aarts nahm sich die Zeit mit jedem Absolventen ein Foto zu machen. Sehr zur Freude auch von Pari-Geschäftsführerin Helle Vanini und Fachberaterin Frauke Schmidt (v.l.)   Foto: tw

LANDKREIS tw ∙ Nicht die Probleme, sondern das Positive, das Potential seines Gegenübers erkennen, dem Gegenüber zugewandt sein und mit ihm in Interaktion gehen – all das steht im Mittelpunkt der von Maria Aarts entwickelten „Marte Meo“-Methode zur Entwicklungsunterstützung. Ein Name der das zentrale Anliegen beschreibt: „Aus eigener Kraft“.
Am Mittwoch vorletzter Woche war die Niederländerin extra für eine Masterclass nach Cuxhaven gekommen, bei der sie auch 33 Beschäftigten aus den Krippen, Kitas und Horten des Paritätischen Cuxhaven – die eine einjährige Weiterbildung zum „Marte Meo“-­Practitioner absolviert haben – im Schloss Ritzebüttel die Zertifikate persönlich überreichte.

Die Idee, „Marte Meo“ nach Cuxhaven zu holen, entstand im Beratungsteam der Trägerarbeitsgemeinschaft Cuxhaven. Gesucht wurde eine Methode, die praxis- und ressourcenorientiert sowie im Kitaalltag gut umsetzbar ist und den pädagogischen Fachkräften in den Kitas Stärkung und wirkliche Unterstützung geben kann. Die Ausbildung übernahm Fachberaterin und „Marte Meo“-Kollegen-Trainerin Frauke Schmidt vom Pari.

Doch was ist „Marte Meo“ genau und wie nahm es seinen Anfang? Maria Aarts fand es schon als Kind immer interessant Menschen zu beobachten, zu sehen wie unterschiedlich sie sind und wie sie miteinander umgehen. Ihr Schlüsselerlebnis war die Begegnung mit der Mutter eines autistischen Kindes, als sie Mitte der 1970er Jahre als Mitarbeiterin in einer stationären Einrichtung für Kinder mit Entwicklungsauffälligkeiten tätig war. „Eines Tages hatte die Mutter gesehen, wie ich mit ihrem autistischen Sohn in Kontakt getreten bin“, erzählte sie bei einem Pressegespräch nach der Zertifikatsübergabe. Und diese darauf weinend fragte: „Ich bin doch die Mutter. Wenn du mit meinem Sohn in Kontakt treten kannst, kannst du mir nicht zeigen, wie das geht?“
Für sie der Startpunkt Eltern zu unterstützen, die bereits vorhandene Interaktion mit ihrem Kind zu nutzen und zu zeigen, wie wichtig Zugewandtheit ist. Zudem war ihr aufgefallen, dass es zwar viel Fachliteratur für den Erziehungsbereich gab, diese sich aber zu sehr auf die Probleme der Kinder konzentrierte und vieles zu abstrakt erklärt war. Doch es habe nichts direkt für die Eltern selbst gegeben. Und so entstand im Lauf der Jahre ihre Methode, die die Entwicklung eines Kindes unterstützt, und zwar in der Zeit, die das Kind dafür benötigt.

„Schwierigkeiten kann man immer sehen. Sie sind groß genug. Aber Möglichkeiten zu sehen, dafür muss man trainierte Augen haben“, findet Aarts. Eine Fähigkeit, die sie sich durch jahrelanges beobachten und analysieren angeeignet hat und weitergibt. Grundlage sind dabei kurze Videosequenzen von Alltagssituationen zwischen Kindern und Eltern bzw. Kita-Mitarbeitern oder Lehrern. Dabei wird geschaut welche Kommunikation und Interaktion gut läuft, wo man unterstützend eingreifen kann, welcher nächste Entwicklungsschritt für einen Menschen wichtig ist und wie man mit einer dem Menschen zugewandten Art und Weise auf herausfordernde Situationen eingehen kann.
„Wir können die Lebensgeschichte der Menschen nicht ändern, aber wir können immer wieder zu positiven Entwicklungen einladen“, sagt sie. Wichtig seien ein einladendes Gesicht, einladende Töne. Eine Methode die in allen Altersklassen funktioniere, etwa in der Kommunikation mit Demenzerkrankten.

Und die 74-jährige hatte auch gleich ein positives Beispiel aus einem Aachener Stadtteil parat – das „Demenzfreundliche Haaren“, dass vom dortigen Leiter des Seniorenzentrums am Haarbach, Christoph Venedey, ins Leben gerufen wurde. Viele Menschen dort – von Ehrenamtlichen über Supermarktverkäufer bis zum Rettungsdienst – haben „Marte-Meo“-Schulungen mitgemacht, und ein Auge auf die Menschen mit Demenz. „Die Demenzkranken sind nicht isoliert, sondern Teil der Gemeinde“, so Maria Aarts.

Um zu verdeutlichen in welch vielfältigen Bereichen die „Marte Meo“-­Methode angewendet werden kann, fand nach der Zertifikatsverleihung am darauffolgenden Tag auch ein Fachtag mit Maria Aarts im Stadttheater Cuxhaven statt. 250 Teilnehmer kamen aus verschiedenen Arbeitsbereichen des Paritätischen – von Einrichtungen für Kinder inklusive Mitarbeitenden und Elternvertretern, Jugendhilfe- und -arbeit bis hin zur Frauen- und Migrationsberatung – und diversen anderen sozialen Institutionen auch weit über Cuxhaven hinaus.

Neben Basisinformationen zur „Marte Meo“-Methode gab Maria Aarts mit Video-Clips und praktischen Alltagsgeschichten auch Hinweise auf Entwicklungsbotschaften bei auffälligem Verhalten, sprach über Kommunikationstrainings mit Jugendlichen und ging in kleinerer Runde für Angehörige, Eltern und Pflegende auf Möglichkeiten von „Marte Meo“ bei Demenzkranken ein.
„Im Team sind wir jetzt besser, weil wir eine gemeinsame Sprache sprechen“, so Helle Vanini, Geschäftsführerin des Paritätischen Cuxhaven. Und auch Kita-Fachberaterin Frauke Schmidt weiß von einer sehr viel entspannteren Arbeitsatmosphäre zu berichten, die den Kindern zugute käme, lernten sie in einer entspannten Umgebung in der sich alle Wohlfühlen doch viel besser. „Das hat unsere Arbeit so viel besser gemacht.“

„Ich sehe eine große Offenheit und Lernfreude der Kolleginnen und Kollegen, und freue mich, dass die Kitas des Paritätischen Cuxhaven diesen neuen, teils unbekannten Weg gemeinsam gehen“, so Vanini. Um die Methode in den Kitas noch weiter zu etablieren und konzeptionell zu verankern, würden demnächst aus jeder Einrichtung ein bis zwei Fachkräfte die Ausbildung zum „Marte Meo“-Trainer abschließen. „So wird in jeder Einrichtung ein Trainer sein, der Fachkräfte und Eltern beraten und videogestützte Fallbesprechungen durchführen kann.“
Doch nicht nur in den Kitas, sondern auch in anderen Arbeitsbereichen des Paritätischen soll die „Marte Meo“-Methode Einzug halten. Jetzt ist Vanini gespannt darauf, „wie wir unsere Erfahrungen übertragen und dort nutzen können“. Nach den positiven Erfahrungen in den Kitas und den überaus positiven Reaktionen beim Fachtag hat sie an einer guten Umsetzung aber keinen Zweifel.