Im Dokumentarfilm kann man die zehn Männer und Frauen, die auch auf den Wandtafeln vorgestellt werden, noch näher kennen lernen   Fotos: tw

OTTERNDORF tw ∙ Sie kommen aus unterschiedlichen Ländern, haben verschiedene Berufe, jeder einen anderen Lebensweg – doch eines haben die Menschen, deren Lebensgeschichten zurzeit in einer Wanderausstellung in der VHS in Otterndorf vorgestellt werden, gemeinsam: alle kamen in ein für sie fremdes Land.
„Es sind authentische Lebenswege von Zugewanderten, die Mut machen und Perspektiven aufzeigen“, so Dr. Marie-Louise Rendant, Geschäftsführerin der VHS Landkreis Cuxhaven. Wie der der Weißrussin Yulika, die als Au-Pair nach Deutschland kam, des Schweden Oscar, den die Liebe nach Cuxhaven brachte, oder von Amir, der mit 13 Jahren mit seinen Eltern aus Afghanistan flüchten musste. Er ist glücklich nach Cuxhaven gekommen zu sein. Und er hat einen Rat an andere: „Sei nicht traurig. Und lerne als erstes die deutsche Sprache, sonst kommst du nicht weiter.“ Das solle man so schnell wie möglich angehen, findet er, mit Filmen, mit Büchern und das Reden mit guten Freunden.

Auch Rendant betonte bei der Eröffnung der Ausstellung am Montag, – bei der auch Samtgemeindebürger­meister Frank Thielebeule und die Erste Samtgemeinderätin Irene Wischhusen anwesend waren – dass Sprache der Pfad zu Integration sei. Und berichtete von 320 Teilnehmern pro Woche bei den Integrationskursen der VHS.
Die Idee zu der Ausstellung, die von einem Dokumentarfilm über die zehn Protagonisten begleitet wird, geht auf Ute Feldt von der Caritas Cuxhaven zurück. Seit 25 Jahren in der Migrationsarbeit tätig „habe ich so viele unterschiedliche, vielfältige Menschen erlebt, die eine Bereicherung für uns sind“. Und gerade in der heutigen Zeit, in der nur die negative Seite von Migration betrachtet werde, wolle die Caritas die positiven Seiten zeigen. „Es ist traurig, was im politischen Diskurs passiert“, sagt sie. Daher sei der Blick auf gelungene Integration wichtig, denn „sie kann eine Brücke für andere sein, ihren Weg zu finden“. Gerade auch weil jeder Weg anders sei, jeder unterschiedlich Fuß gefasst, jeder unterschiedliche Potenziale habe. Deshalb hofft sie, dass auch Vertreter politischer Parteien sich die Schicksale einzelner Menschen genauer anschauen, „und manche Aussage überdenken“.
Durch die Geschichten der Menschen, so unterschiedlich sie sind, wird auch eines ganz deutlich: was zu einer gelungenen Integration beiträgt. Für alle war die Sprache der entscheidende Schlüssel. Mindestens genauso wichtig war für sie aber auch der Kontakt zu anderen Menschen. Dies macht auch Almaz deutlich, die mit ihrem Mann durch den Krieg in Syrien aus Aleppo flüchten musste. „Die deutschen Freunde in Cuxhaven haben uns geholfen. Die haben uns wirklich den Weg gezeigt, wie wir hier weiterleben können“.

„Hier in Deutschland habe ich mich selbst gefunden, Was bin ich, was will ich, was kann ich tun“, sagt Weeda, die mit ihrem Mann aus Afghanistan geflohen ist. Sie strahlt übers ganze Gesicht, wenn sie erzählt, wie sie im Flüchtlingsheim Fahrrad fahren lernte. „Die Freiheit, die mir Deutschland gegeben hat, hatte ich nie in meinem Land: Auto fahren, Fahrrad fahren, allein auf der Straße sein.“ Ihre Fröhlichkeit ist ansteckend. Ein positives Denken, dass sie sich trotz schwieriger Jahre bewahrt hat. Denn bis 2016 lief eigentlich alles gut für ihre Familie in ihrem Heimatland. Sie hatten ein eigenes Haus, ihr Mann zwei erfolgreiche Firmen, sie hatte eine Stelle als Dozentin an der Universität, war kurz davor ihren Master in Informatik abzuschließen. 2016 wird die politische Situation immer bedrohlicher. Und sie beschließen – auch zum Schutz ihrer Kinder – Afghanistan zu verlassen. Doch auch in Deutschland ist die Situation unsicher. Ihr Asylantrag wird abgelehnt, damit ist auch kein Integrationskurs möglich. Fünf Jahre Unsicherheit folgen, die sie jedoch genutzt haben. „Wir haben die Sprache gelernt, Weiterbildungen gemacht, gearbeitet, wo wir konnten, haben den Führerschein gemacht. Wir haben in diesen Jahren viel erreicht. Und dann kam auch unser Aufenthaltstitel“, erzählt sie lächelnd und sagt: „Jetzt habe ich zwei Heimatländer.“

Die Ausstellung „Ankommen in Deutschland – Erfolgreiche Lebensgeschichten von Zugewanderten“ ist noch für zwei Wochen von 8.30 bis 12.30 Uhr in der VHS Otterndorf, Fröbelweg 1, zu sehen. Gruppen, die auch den Film sehen wollen, können sich bei der VHS unter (04751) 97 83 40 anmelden.
Ihre Premiere hatte die Wanderausstellung im letzten Jahr bei der Interkulturellen Woche in Cuxhaven. Seitdem war die Ausstellung unter anderem in Hildesheim zu sehen. Nächste Station ist Bad Bederkesa.
Wer ebenfalls Interesse hat, die Wanderausstellung plus begleitendem Dokumentarfilm zu zeigen, kann sich bei Ute Feldt per E-Mail an ute.feldt@caritas-cuxhaven.de oder telefonisch unter (04721) 69 028 12 melden.