Seemannsdiakon Dirk Obermann Foto: jt
CUXHAVEN jt ∙ Mit gewaltigen Orgelklängen eröffnete Konzertorganist und Kirchenmusiker Jürgen Sonnentheil am Sonntag in St. Petri den Gottesdienst, der diesmal den Seeleuten zugedacht war, die fernab ihrer Heimat auf den Wassern und Weltmeeren dieser Welt ihren Lebensunterhalt verdienen. Besonders hart trifft es derzeit die russischen und ukrainischen Seeleute, die ihre Familien im Ungewissen wähnen.
Mit vielen Schiffen stehe man in E-Mail-Kontakt, berichtete der Leiter der Deutschen Seemannsmission Cuxhaven, Seemannsdiakon Martin Struwe. Er überbrachte stellvertretend für alle anderen beste Grüße von Schiffen auf hoher See und in fremden Häfen nach Cuxhaven, unter anderem von dem unter deutscher Flagge fahrenden Schwerlastschiff „Svenja“ aus dem fernen Bangladesch.
Marita Hilmer, seit 2016 ehrenamtliche Mitarbeiterin in der Seemannsmission Cuxhaven, gab den Gottesdienstbesuchern, stellvertretend für die anderen ehrenamtlichen Mitarbeitern, einen kleinen Einblick über ihre Arbeiten und wie sie Menschen auch in belastenden Situationen begleitet.
„Alle Wünsche können wir zwar nicht erfüllen, aber viele.“
Die Seeleute, denen sie begegne, seien keine ungehobelten Rauhbeine, sondern respektvolle und dankbare Menschen, sagte sie. „Alle Wünsche können wir zwar nicht erfüllen, aber viele. Wie eine Sightseeing-Tour, wenn sie in Cuxhaven anlegen.“
„Russische und ukrainische Seeleute gehören zu der drittgrößten Gruppe der Menschen, die zur See fahren“, sagte der Hamburger Seemannsdiakon Dirk Obermann, PSNV-Koordinator für die psychosoziale Notfallversorgung von Seeleuten. Ein Schiff mit Ukrainisch-Russischer Besatzung sei der allgemeine Sprachgebrauch in der Seefahrt und zeige die Zusammengehörigkeit dieser Menschen. „Das ist gängige Praxis, eine ganz normale Crew.“
Seit 10 Tagen sei für diese Seeleute die unfassbare Situation eingetreten, dass sie sich miteinander im Krieg befinden. „Der Krieg und die Sanktionen führen zu großen Schwierigkeiten in der Seefahrt“, sagte er. Seeleute könnten beispielsweise ihre Heuer nicht mehr nach Hause transferieren. In manchen Gebieten sei mit Geld überhaupt nichts mehr zu kaufen. Schiffe mit russischer Flagge könnten in vielen europäischen Häfen nicht mehr einlaufen. Da wo es noch möglich ist, könnten die Rechnungen wegen der Aussetzung von Swift nicht mehr bezahlt werden.
Doch trotz aller Tragik erlebe man an Bord, dass russische und ukrainische Seeleute als Einheit zusammenarbeiten und zusammen leben. Private Gespräche über Familienbande, die durch den Krieg zerschnitten seien, würden an Bord vermieden. „Trotz Krieg ist man aufeinander angewiesen und stets zusammen. Die Seeleute sind ein leuchtendes Beispiel für interkulturelles Zusammenleben und dafür, dass Frieden möglich ist.“
Im Wechsel gedachten Martin Struwe und Rudolf Rothe, ehemaliger Leiter der Staatlichen Seefahrtschule Cuxhaven, zusammen mit der Gemeinde, der Seeleute, die in Ausübung ihres Berufes im Jahr 2021 ums Leben gekommen sind: darunter auch die ungezählten Menschen, die bei ihrer Flucht über das Meer ertrunken sind. Als Symbol der Trauer und der Hoffnung zündete Rudolf Rothe eine Kerze an. Zum gemeinsamen Gedenken wurde die Schiffsglocke als Symbol des Übergangs vom Leben zum Tod geglast. Die Kollekte kam der Seemannsmission Cuxhaven und Hongkong zugute.