Mit Angehörigen der Technischen Staffel (vordere Reihe) haben (hinten, v.l.) Superintendent Albrecht Preisler, Militärpfarrerin Dr. Katja Bruns und Superintendentin Kerstin Tiemann den Gedenkgottesdienst gestaltet Foto: Privat
NORDHOLZ re ∙ In Norwegen erblühte gerade das Land. In der Nähe von Danzig bangten geflüchtete Frauen und Kinder um ihr Leben. Ein 15-jähriger jüdischer Junge, der den Aufenthalt im Konzentrationslager überlebt hatte, bekam erst Cookies von amerikanischen Soldaten und dann ein Bett im Spital. Das Kriegsende am 8. Mai 1945 war in der Offiziersmesse auf dem Stützpunkt der Marineflieger in Nordholz plötzlich ganz nah.
In einem gemeinsamen Gottesdienst von Militärseelsorge und den Kirchenkreisen Wesermünde und Cuxhaven-Hadeln lasen Soldaten von der „MFG 5 Technischen Staffel NH 90“ Berichte von Zeitzeugen vor und holten damit das 80 Jahre zurückliegende Ereignis in die Gegenwart. Aufbruchstimmung, Angst, Erleichterung, Verunsicherung und Motivation, etwas Neues aufzubauen – dies alles war spürbar.
Mehr als 70 Gottesdienstbesucher aus Marine und Zivilgesellschaft begrüßt Militärpfarrerin Dr. Katja Bruns am Donnerstag letzter Woche in der Messe. Die Theologin hatte sich in der Vorbereitung gemeinsam mit den Soldaten mit dem Kriegsende thematisch auseinandergesetzt. Die Auswahl der Zeitzeugenberichte ist ein Ergebnis dieser Arbeit. Ein weiteres Kapitel wird Ende des Monats aufgeschlagen: Dann reisen sie gemeinsam auf den Spuren des Zweiten Weltkriegs in die Normandie und treffen dort auch mit französischen Militärangehörigen zusammen.
Aus Feinden wurden Freunde: „Dort wo Schuld war, kann Versöhnung entstehen“. Das betonte Albrecht Preisler, Superintendent des Kirchenkreises Wesermünde, in seiner Predigt, „und diese Hoffnung gebe ich nicht auf“. Nicht Auge um Auge, Zahn um Zahn: In seiner Bergpredigt habe Jesu dazu aufgefordert, demjenigen, der einem auf die rechte Wange schlägt, auch die linke hinzuhalten. „Es geht um Deeskalation“, sagt Preisler auch im Hinblick auf die vielen aktuellen Konfliktherde in der Ukraine, in Israel und Palästina sowie in Kaschmir.
Der 2. Weltkrieg ist seit 80 Jahren vorbei – doch noch immer muss um Frieden gebetet werden, so auch in den Fürbitten, die von Superintendentin Kerstin Tiemann aus dem Kirchenkreis Cuxhaven-Hadeln, dem katholischen Militärseelsorgeassistenten Stephan Bode sowie Albrecht Preisler und Katja Bruns gehalten wurden.
Nach diesem gemeinsamen Gottesdienst, den der Wesermündes Kreiskantor Timo Corleis musikalisch begleitete, erinnerten die Kirchengemeinden mit einem gemeinsamen Läuten von 19.39 bis 19.45 Uhr und Andachten noch einmal an den 8. Mai 1945 – einen Frühlingstag, an dem die Menschen zwischen Aufbruchstimmung, Angst, Erleichterung, Verunsicherung und Motivation zum Neustart schwebten. In Norwegen, in Danzig, aber auch bei uns.