Stefan Reiterers Werke bieten faszinierende Ein- und Ausblicke Foto: tw
OTTERNDORF tw ∙ „Inflection Point“ – Wendepunkt – heißt die neue Ausstellung im Museum gegenstandfreier Kunst (MgK) mit Werken des österreichischen Künstlers Stefan Reiterer. Es ist eine Ausstellung, die viele Sichtweisen bietet, mit Kunstwerken, die von nah und fern betrachtet werden wollen – eine Kunst, die im positiven Sinne die Phantasie anregt. Seine Werke nehmen Bezug auf die Realität, bauen auf sie auf und wirken am Ende wie aus einer anderen Welt. Dass Erster Kreisrat Friedhelm Ottens bei der Ausstellungseröffnung am Samstag letzer Woche die Besucher bat, sich hinzusetzen, „um Teil der Leinwand zu werden“ daher die logische Folge.
Denn Reiterer bringt die Malerei plastisch skulpturell in den Raum. Und das im doppelten Sinne. Seine auf MdF und Aluminium gemalten Werke wirken wie Plastiken, haben einen 3D-Effekt, der die Blicke der Besucher anzieht und die von jedem Blickwinkel aus eine andere Wirkung entfalten. Und auch seine Plastiken selbst – zwei großformatige sind erstmals in der Ausstellung zu sehen – laden zum immer wieder neu Entdecken ein. Dazu gesellen sich den Fußboden bedeckende Stoffbahnen, die mit gelben und blauen Linien bemalt sind, und die Ausstellung so im wahrsten Sinne des Wortes zu einer begehbaren Malerei machen.
„Seit 2011, als ich bei einer Ausstellung in Portugal die Wände nicht verwenden durfte, arbeite ich mit gespannten bemalten Stoffbahnen oder geformten MdF-Platten, die Ausstellungsräume und deren Sichtachsen definieren“, so Reiterer. „Auch die Arbeiten, die ich jetzt gerade mache, sind entweder objekthaft oder geben eine Räumlichkeit illusionistisch vor und bewegen sich nicht im klassischen Format.“
Erstmalig seien seine Werke im MgK in ihrer gesamten Breite zu sehen, wie Museumsdirektor Wilko Austermann betonte. „Eine begehbare Malerei, in der die Perspektiven verzerrt sind“, sagte er in seiner Einführung in Stefan Reiterers Werk. „Seine Bilder spielen mit verschiedenen Ebenen. Es ist faszinierend, wie sie mit der Wahrnehmung spielen, ein Spiel der Illusion.“
Der 36-jährige bringt mit seinen Werken die digitale in die analoge Welt. Er startet mit digitalen Bildern, die er verfremdet, verformt und schließlich in Malerei, Video oder Skulptur übersetzt.
Manchmal scheint man die Landschaft dahinter noch zu erahnen. Er arbeitet aber auch mit digitalen Satellitenbildern und geht dabei mit seiner Dekonstruktion der Frage nach, wie objektiv diese Karten sind. „Das Wechselspiel von Digital und Analog wird in besonderer Form sichtbar“, so Austermann
Stefan Reiterer selbst ist begeistert vom MgK. „Das Museum ist einzigartig. Es lässt viel Freiheit auszustellen“, sagte er bei der Begrüßung der zahlreichen Gäste, die sich trotz strahlendem Sonnenschein das Event nicht entgehen lassen wollten.
Der Keim für Reiterers Interesse an der Kunst wurde schon durch seinen Kunstprofessor am Gymnasium im Waldviertel, in dem er zu Schule ging – dem Künstler Franz Part – gelegt. Das Spiel mit dem Digitalen führt Reiterer auf seine Generation zurück, „in der wir mit Videospielen aufgewachsen sind, die eine eigene Ästhetik haben“.
1988 in Waidhofen an der Thaya in Österreich geboren, studierte Reiterer Malerei an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Seine Werke wurden bereits international ausgestellt, unter anderem in São Paulo, Mexico City, New York, Chicago, Los Angeles, London, Prag, Berlin und Porto. Arbeiten des Künstlers befinden sich auch in bedeutenden Sammlungen, wie der im Belvedere Wien, der Landessammlung Niederösterreich, der Sammlung des Bundes Österreich, sowie des CCA Andratx auf Mallorca.
In einem Kinderguide zur Ausstellung werden die jungen Besucher in kindgerechter Sprache und mit Fragen wie der, wie es sich anfühlt in einem Bild zu stehen, statt es nur von außen zu sehen, spielerisch an die Ausstellung herangeführt.
Die Ausstellung ist bis zum 10. August dienstags bis freitags von 10 bis 13 und 15 bis 18 Uhr sowie samstags, sonntags und feiertags von 15 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei.
Begleitet wird die Ausstellung von Führungen und einem Ferienprogramm für Kinder und Jugendliche. Die Finissage findet am 10. August ab 16 Uhr mit einem Künstlergespräch mit Stefan Reiterer statt.
Entstanden ist die Ausstellung in Zusammenarbeit mit „Phileas – The Austrian Office for Contemporary Art“.
www.mgk-otterndorf.de