Die Senatorin für Gesundheit Claudia Bernhard (l.) und der Stadtverordnetenvorsteher Torsten von Haaren überreichen Angelika Lacroix ihre Auszeichnung – es ist die verdiente Anerkennung für ihr beispielhaftes Engagement      Foto: jt

BREMERHAVEN jt ∙ In einer Feierstunde im Deutschen Auswandererhaus in Bremerhaven wurde Angelika Lacroix am Freitag das Verdienstkreuz am Bande verliehen – die höchste Auszeichnung, die die Bundesrepublik für Verdienste um das Gemeinwohl vergibt. Die gelernte Krankenschwester wurde damit für ihre langjährige engagierte und herausragende Arbeit für die Verbesserung der Versorgung von psychisch erkrankten Menschen gewürdigt. Überreicht wurde der Verdienstorden von der Senatorin für Gesundheit Claudia Bernhard und Bremerhavens Stadtverordnetenvorsteher Torsten von Haaren. Die ausgebildete Krankenschwester arbeitete von 1979 bis zu ihrem Ruhestand 2018 im Behandlungszentrum für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des Klinikums Bremerhaven-Reinkenheide, zuletzt als Leiterin des „pflegerischen Departments für psychische Gesundheit“.

Zu Beginn ihrer Ausbildung 1979 stand das Thema Psychiatrie ganz am Rande unserer Gesellschaft. Menschen mit psychischen Erkrankungen wurden abgestempelt. Man sprach hinter vorgehaltener Hand abschätzig von „Klapsmühle oder Klapse“, erinnerte Torsten von Haaren in seiner Rede zur Aushändigung der Ordensinsignien.
In den psychischen Abteilungen der meisten Kliniken in Deutschland gab es damals weder adäquate ambulante Versorgungsmöglichkeiten noch ergänzende Behandlungsformen oder Therapien. Um dem entgegenzuwirken, wurde 2007 im Rahmen eines EU-Projekts die Ausbildung von Menschen mit psychiatrischer Krisenerfahrung zu Genesungsbegleitern ins Leben gerufen. Angelika Lacroix hat damals dieses „Bremerhavener Modell der Genesungsbegleitung“ maßgeblich initiiert und weiterentwickelt.

Dahinter stecke ein wertvoller Reformansatz, formulierte es Torsten von Haaren: Die Menschen, die durch eigene Erfahrung seelische Erschütterungen durchlebt und gemeistert haben, seien ganz besonders befähigt, andere psychisch Erkrankte in ihrem Genesungsprozess zu unterstützen. „Diese Menschen sind Experten aus Erfahrung und somit wertvoll für unsere Gesellschaft“, betonte er. „Bereits Genesene werden ausgebildet, wieder in die Arbeitswelt integriert und können ihre Erfahrungen einbringen. Die Erkrankten bekommen zusätzliche Hilfe auf Augenhöhe. Beide Seiten erfahren auf diese Weise ein hohes Maß an Respekt und Wertschätzung.“ Inzwischen arbeiten acht Genesungsbegleiterinnen und -begleiter in Festanstellung am Klinikum Bremerhaven Reinkenheide. Das ist einmalig in Deutschland.

Das Bremerhavener Modell der Genesungsbegleitung sei ein hervorragender Erfolg, auf dem sich so manch eine oder einer ausgeruht hätte, hob Torsten von Haaren hervor. „Doch nicht Angelika Lacroix. Sie geht weiter und wird zu einer gesellschaftlichen Aufklärerin für seelisch Erkrankte. Sie gibt ihnen eine Stimme, die endlich gehört wird. Sie reist quer durch die Republik und spricht auf Fortbildungen, Tagungen, auf Kongressen und wird eine gefragte Referentin. Sie ist Autorin, Mitautorin von zahlreichen Beiträgen in Fachbüchern und Zeitschriften.“ Ihr außerordentliches und beharrliches Engagement zahlt sich aus. Deutschlandweit wurde sie mehrfach ausgezeichnet. Es gäbe ohne Angelika Lacroix mit Sicherheit etwas nicht: ein gesellschaftliches Umdenken in Form von mehr Akzeptanz und mehr Respekt gegenüber Menschen mit seelischen Erkrankungen“, so von Haaren. „Dank Angelika Lacroixs konsequentem und unbeirrbarem Engagement sind Menschen mit psychischen Erkrankungen in der Mitte der Gesellschaft angekommen.“

Doch um Veränderungen herbeizuführen, brauche es nicht nur Fachwissen und Erfahrung. Es brauche auch Mut, Beharrlichkeit und Geduld. „Eigenschaften, die Angelika Lacroix im Übermaße besitzt“, so der Stadtverordnetenvorsteher. Mit dem konsequenten Engagement für die Belange und Rechte der Menschen mit seelischen Erkrankungen, vor allem aber der gesellschaftlichen Inklusion habe Angelika Lacroix einen großen Beitrag zur Reform der Psychiatrie beigetragen. Bewunderung gab es auch vonseiten der Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard, die in ihrer Rede großen Respekt vor der Arbeit der Bremerhavenerin bezeugte. „Wir brauchen Wahrnehmung auf Augenhöhe und keine Hierarchien“, fasste sie zusammen.

Sie habe damals die Idee für dieses Projekt gehabt, sagte Angelika Lacroix in ihrer Dankesrede. Die Idee allein aber nütze nichts, führte sie weiter aus. Man müsse Leute haben, die das mit machen. Wie Dr. Gisbert Eickmeier, ehemaliger Chefarzt der Psychiatrischen Klinik im Klinikum Reinkenheide. Zusammen habe man für das Modell gekämpft. „Aus ganz Deutschland kamen Genesungsbegleiter zu uns, haben Praktika gemacht waren ganz angetan. Ob Stellenbeschreibung, Einarbeitungskonzept oder klare Rollenverteilung; hier gab es viele Dinge, die es in den Einrichtungen anderer Bundesländer noch nicht gab.“

Zum Ende ihrer Dankesrede gab Angelika Lacroix ihrer Besorgnis Ausdruck: Immer noch würden Genesungsbegleiter nicht als offizielle Berufsgruppe anerkannt, stellte sie mit Bedauern fest. „Solange werden Genesungsbegleiter bezahlt, wie man glaubt, Genesungsbegleiter bezahlen zu wollen“, sagte sie. „Die Genesungsbegleiter, die ich eingestellt habe, habe ich nie so bezahlen können, wie sie hätten bezahlt werden müssen. Ich würde mich sehr freuen, dass wir schnellstmöglich dafür sorgen, dass man die Genesungsbegleiter endlich als eigenständige Berufsgruppe in den Kliniken ansieht, damit diese Menschen ihren verdienten Platz in unserer Gesellschaft bekommen.“ Dafür werde sie sich auch weiterhin einsetzen.