Schuppenstrom im Transporteur: Die fertig gedruckten Exemplare werden hier über die nicht benötigte Schneidtrommel geführt     Fotos: jt

BREMERHAVEN jt ∙ Wenn das gigantische Druckwerk, bestehend aus zwei Drucktürmen hochfährt, ergibt das einen Sound, der an das Röhren einer Flugzeugturbine erinnert. Joachim Tonn war dabei, als die erste Ausgabe des neuen Elbe Weser Kuriers am Dienstag letzter Woche im Druckzentrum Nordsee, einer der modernsten Rotationsdruckereien Deutschlands, das Licht der Welt erblickte.
Im Papierlager ist es klimatisiert warm – 22 bis 23 Grad. Das Papier muss trocken sein, damit eine gute Druckqualität herauskommt. Im Papierlager warten riesige aufgetürmte Papierrollen auf ihren Einsatz. Eine Papierrolle von der Breite 35 bis hin zu 210 Zentimetern ist im Durchschnitt 20 Kilometer lang und kann bis zu zwei Tonnen wiegen. Wenn die Druckmaschine erst einmal auf Hochtouren läuft, geht eine Rolle in 25 Minuten durch.

Führerlos, vollautomatisch gesteuert, schiebt sich „Erwin“ durch die Halle. Der wuchtige Roboter-Stapler hat gerade eine Papierrolle aufgenommen, um sie zum Rolleneinzug an der Druckmaschine zu navigieren. Es sind vordefinierte Wege, die er fährt; so millimetergenau kann kein Mensch mit einem Stapler fahren. Früher mussten die Arbeiter die Rollen noch per Gabelstapler manövrieren, heute reicht ein Computerbefehl, und die Roboterfahrzeuge bringen die benötigten Rollen aus dem Papierlager zu den Druckmaschinen. Die Herren über die mehrstöckige, aber kompakte Rotations-Druckmaschine sind heute Matthias Ehlers und Matthias Gerlemann, beide gelernte Offsetdrucker, die sich in ihrem Fachbereich immer abwechseln. Matthias Gerlemann ist heute für die CTP-Abteilung (Computer to Plate) zuständig. Für die digitale Anlieferung der Druckdaten besteht ein FTP-Zugang. Die digital erstellten Elbe Weser Kurier-Seiten werden per Glasfaserkabel vom Redaktionsgebäude des Elbe Weser Kuriers zum Druckzentrum Nordsee nach Bremerhaven überspielt und dort mit CTP-Technik per Laser auf die vier dünnen Aluminium Druckplatten in den Farben Gelb, Cyan, Magenta und Schwarz übertragen. „Mit der Plattenproduktion starten wir, sobald die Daten eingelaufen und die Druckdaten freigegeben sind“, erklärt er. Parallel steuert Matthias Ehlers am Leitstand 1 den Druck – die Passer, die vier Druckfarben und die Buchstruktur. „Das heißt so, weil aus der Papierbahn ein Strang wird, der zu einem „Buch“ gewendet und geschnitten wird“, erläutert er. Nachdem die fertigen Druckplatten in die Offset-Rotationsmaschine eingespannt sind, wird das gigantische Druckwerk hochgefahren. Der Elbe Weser Kurier läuft in der heutigen Ausgabe mit 28 Seiten über zwei Drucktürme.

Matthias Ehlers hat nach 22 Jahren als Drucker gelernt, mit Stress umzugehen. „Wenn man ruhig und sinnig arbeitet, ist es für alle am entspanntesten“, sagt der 47-Jährige, der 2000 bei Nordsee Druck angefangen hat. „Es ist ein Muss, sich aufeinander zu verlassen und sich Vertrauen zu schenken, um gemeinsam als Team bestmöglich zu funktionieren“, sagt Matthias Gerlemann (33), der voll hinter seinem Lehrberuf steht und seit neun Jahren im Betrieb ist. „Ich fahre zu jeder Schicht mit dem Fahrrad, seitdem ich meine Berufsausbildung 2009 abgeschlossen habe.“ Die Kombination aus Fahrradfahren, Mineralwasser und einem Becher Kaffee ist für den dreifachen Familienvater der Kraftstoff, um jede Herausforderung zu bewältigen.

Nachdem die fertigen Druckplatten in die Offset-Rotationsmaschine eingespannt sind, wird das gigantische Druckwerk hochgefahren. Gedruckt wird auf der wasserlosen Kompaktrotation von König & Bauer mit zwei Drucktür­men. Druckkapazität: 48 Seiten oder 32 Seiten Berliner Format. Vom Leitstand aus lässt sich das gigantisch anmutende Technikwerk exakt steuern und die gesamte Druckproduktion überwachen. Die ganze Aufmerksamkeit der beiden gelernten Offsetdrucker gilt jetzt den ersten druckfrischen Exemplaren, um notfalls gegensteuern zu können. Seite für Seite wird begutachtet. Stimmt die Druckqualität? Wie sind die Farben?
Mit einer Geschwindigkeit von zehn Metern pro Sekunde sausen die Papierbahnen durch die Drucktürme. Noch während des Druckvorganges wird eine zweite Papierrolle für den Rollenwechsel vorbereitet, denn der Elbe Weser Kurier ist gefräßig. Der Wechsel erfolgt automatisch bei voller Bahnlaufgeschwindigkeit. Mit einer Geschwindigkeit von zehn Metern pro Sekunde sausen die Papierbahnen durch die Drucktür­me. Ganze vier Sekunden dauert es, bis ein Exemplar fertig gedruckt ist.
Über eine Kettentransportanlage, in die Zeitungen eingespannt sind (insgesamt rund 1,4 Kilometer lang), werden die ausgedruckten Exemplare von der Rotation in die Weiterverarbeitung befördert. In einer Einstecktrommel werden die Elbe Weser Kuriere vollautomatisch aufgefächert, um separat gedruckte Werbebeilagen aufzunehmen. In der Verpackungslinie werden die Pakete nach Touren sortiert. Ein Barcode sorgt dafür, dass kein Bündel verlorengeht. In einem Stretchwickler werden die Pakete eingeschweißt.

Maschine kommt den ganzen Druckprozess hindurch ohne Wasser aus und schont damit extrem die Umwelt.

Zweieinhalb Stunden sind vergangen, seit „Erwin“ die erste Rolle Papier herangekarrt hat. Indes wird an der Verladerampe ein Vierzigtonner mit den Bündeln frisch gedruckter Elbe Weser Kuriere vollgestapelt. Zwanzig bis dreißig Paletten gehen jeden Mittwoch und jeden Samstag raus. Mittwoch sind es circa 60.000 und am Samstag circa 52.000 Exemplare, die, abgepackt in handliche Pakete, nach Otterndorf und Cuxhaven geschafft und von dort auf die einzelnen Touren verteilt werden. Per Kleintransporter werden die Elbe Weser Kuriere über Land an die insgesamt 240 bis 250 Austräger für 350 Bezirke verteilt. Sie sorgen bei Wind und Wetter dafür, dass der Elbe Weser Kurier druckfrisch in den Briefkästen landet.

Die Maschine kommt den ganzen Druckprozess hindurch ohne Wasser aus und schont damit extrem die Umwelt. Ein Alleinstellungsmerkmal von der Nordseeküste bis in die Niederlande. „Wir fahren diese Maschine mit dem sogenannten wasserlosen Offset-Druck“, erklärt Betriebsleiter Lars Cordes. Im Gegensatz zum herkömmlichen Offset-Druck durchlaufen die Druckwalzen kein Feuchtwasserwerk und danach ein Farbwerk. Die Verteilung der Farbe auf dem Papier wird über die Temperatur gesteuert. Die Druckwalzen werden unterschiedlich erwärmt. Die Farben reagieren abhängig von ihrer Konsistenz darauf und dementsprechend wird der Farbauftrag auf dem Papier gesteuert. Dadurch wird im Druckvorgang keinerlei Wasser gebraucht und verschmutzt. Es kommen auch keine Reinigungsmittel zum Einsatz, nur noch Lappen und Wasser.
Der Umweltgedanke zieht sich beim wasserlosen Druckverfahren durch die gesamte Produktion. Bereits die Platten, sie bestehen aus Aluminium, durchlaufen bei der Vorbereitung auf den Druck ein spezielles Verfahren mit einem geschlossenen Wasserkreislauf. Wenn der Druck abgeschlossen ist, werden sie zu 100 Prozent wieder recycled, ebenso wie das überschüssige Papier. Auch hier wird auf die Umwelt geachtet und ausschließlich recyceltes Druckpapier verwendet. Auf der Außenhülle der Papierrollen prangt der Blaue Engel als Gütesiegel für die umweltfreundliche Herkunft des Papiers.