Bis zum Frühjahr werden die Fahnen eingemottet. „Alles muss seine Ordnung haben“, findet Fährfrau Susanne Schult     Foto: jt

OSTEN jt ∙ Auf der letzten Fahrt der Saison am 31. Oktober um 14.30 Uhr waren drei Fährleute an Bord: Lothar Klüser, Wolfgang Knieling mit seiner Frau Pamela und Susanne Schult. Sie hatte gestern Fährdienst und ist auf Schwebefähren weltweit die einzige Fährfrau der Region.
Lange Jahre war ihr Mann Thomas als Fährmann und Vorstandskollege für die Fähre aktiv. „Thomas hat immer gesagt, das ist ein Spielzeug für Erwachsene.“ „Leider ist er im Mai von uns gegangen“, sagt Lothar Klüser, traurig, einen lieben Kollegen verloren zu haben.

Unter den drei schönsten Straßen Deutschlands platziert

„Dann legen wir mal los zu unserer letzten kleinen Seereise“, sagt Fährmann Lothar Klüser und blickt ein bisschen wehmutsvoll hinüber zum Anleger auf der Hemmoorer Seite, wo er gerade zwei Fahrradfahrer abgeholt hat. Die Deutsche Fährstraße, auf der sie gekommen sind, ist in manchen Ranglisten schon unter den drei schönsten Straßen Deutschlands platziert gewesen.
Die Fährverbindung liegt auf einer internationalen Radroute: Skagen-Amsterdam. „Daher kommen auch Holländer und Dänen her“, sagt der Fährmann, stolz über seine vielen internationalen Gäste. Seine Motivation, die Besucher von der einen auf die andere Seite zu bringen, sei zum einen die Faszination Schwebefähren im Allgemeinen und zum zweiten der Kontakt zu Menschen aus aller Welt. „Wir hatten hier schon Besucher aus Ecuador, USA, Kanada; heute Morgen noch Thailand und natürlich aus ganz Europa.“ Die Überfahrt sei eine kleine Flusskreuzfahrt zum Entschleunigen, finden die meisten Besucher. Viele werden zu Stammgästen.
Fährmann Lothar Klüser kommt aus Osten, wo er seit Jahrzehnten wohnt. Der 65-Jährige war früher Polizeibeamter, erst in Hemmoor, später in Drochtersen. Heute ist er pensioniert „und mehr oder weniger hauptberuflich Fährmann“. Und er ist 2. Vorsitzender des Vereins zur Erhaltung der Schwebefähre. „Wir können mit Fug und Recht behaupten, dass in diesem Jahr mehr Gäste unsere Region besucht haben“, freut er sich. „Wir haben auch glücklicherweise wieder viele Reise-Gruppen und sehr viele Gäste mit Kindern.“ Auch das Radwandern habe zugenommen, lässt er das Jahr Revue passieren. „In einer guten Saison reden wir von 15.000 Besuchern“, sagt der Fährmann. Uwe Finkenwirth rollt mit seinem Motorrad auf die Fähre. Er kommt aus Dornbusch. „Ich habe heute kein Ziel. Ich habe nie ein Ziel“, schmunzelt er. „Ich biege einfach ab.“ Jürgen Ludwig aus Hechthausen dagegen macht eine Rundtour auf beiden Seiten der Oste über Großenwörden am Deich entlang und dann geht es am Deich zurück.

„Wir sind Wassermenschen, da fühlen wir uns hier oben gleich pudelwohl.“

„Bitte einmal einchecken, mit Luca oder Corona-App. Wem darf ich mal eben den Fahrschein geben, falls unterwegs der Kontrolleur kommt?“ Mutter Monika und Tochter Eileen Beutel schnappen sich die Fahrscheine. Eine schöne Erinnerung fürs Reisetagebuch, die sie mit nach Hamm nehmen und einen Sticker noch gleich drauf zu. „Wir hatten was über die 1909 gebaute Schwebefähre im Fernsehen gesehen. Da wir gerade für ein paar Tage in Cuxhaven waren, haben wir gedacht: jetzt fahren wir mal hier lang.
Die Spritztour zur Fähre hat sich gelohnt. „Das ist alte Technik, die begeistert!“ Überhaupt sei das hier eine super Ecke, finden sie. „Wir sind Wassermenschen, da fühlen wir uns hier oben gleich pudelwohl.“ Langsam bewegt sich die Schwebefähre von Osten an ihren Stahlstreben über den Fluss. Sechs Minuten braucht sie für die Fahrt über die Oste. Die Zaungäste am Ufer machen Selfies mit dem filigran anmutenden Stahlungeheuer im Hintergrund.
Mit 112 Jahren ist die Fähre ein ganz schön altes Eisen. Gebaut wurde sie vor Ort in nur sieben Monaten. Das soll mal heute einer nachmachen. Da wäre der Bauantrag noch nicht mal durch. Ein bisschen wehmutsvoll war sie schon, die letzte offizielle Fahrt der Saison. Was bleibt, ist die Hoffnung auf viele schöne Überfahrten – schwebend über die Oste – im nächsten Jahr. Am 1. April 2022 setzt sich der stählerne Oldie wieder in Bewegung.